kalter krieg, kalter kaffee : Spiel mit Ressentiments
Die Drohung mit dem bösen Russen zieht wieder. Alle Wege führen nach Moskau – so lässt sich die Reaktion der NRW-Landesregierung auf die angeblichen Einstiegspläne des Energieriesen Gazprom beim Ruhrgebietszankapfel RAG zusammen fassen. Bemüht wird das Bild der dunklen Macht aus dem Osten, die ihre Hand nach den Industrie-Giganten des Landes ausstreckt. Geschürt werden alte und düstere anti-russische Ressentiments.
KOMMENTAR VON KLAUS JANSEN
Dass eine sachliche Debatte über das Für und Wider einer Russenkohle AG derzeit nicht möglich erscheint, ist schade – denn tatsächlich könnte die Auseinandersetzung mit Blick auf die politische Kultur der Volksparteien in NRW lehrreich sein. Auf der einen Seite stehen die Sozialdemokraten in der pragmatisch-männerbündlerischen Tradition des großen Pipeline-Bauers Gerhard Schröder: Sie sind fasziniert vom russischen Geld, dem zwielichtigem Charisma großer Wirtschaftslenker und stellen im Zweifel Machtpolitik vor die reine Lehre der Ökonomie. Lupenreine Demokratie ist für sie Nebensache. Auf der anderen Seite steht das marktwirtschaftlich-konservative Lager: Ihm ist nicht nur Moskaus Umgang mit Menschenrechten suspekt, sondern auch der semi-staatliche Industriekomplex. Die Kritik am Gazprom-Engagement, ob in Essen oder auf Schalke, passt perfekt zum unterkühlten Klima zwischen Angela Merkel und Putin. Das Problem: Beide Russland-Bilder sind eindimensional.
Die Kalte-Kriegs-Rhetorik überhöht einen Konflikt, der keiner sein müsste. Denn eigentlich wäre ein Gazprom-Einstieg bei der RAG ein ganz normaler Vorgang des Wirtschaftslebens: Ein Marktteilnehmer überlegt, sein Geld bei einem anderen anzulegen. Mehr nicht. Ideologiefrei betrachtet hat die Idee sogar einigen Charme: Denn was wäre verwerflich daran, wenn die durch den Bergbau im Ruhrgebiet entstandenen Ewigkeitskosten zumindest teilweise von russischem Kapital statt von deutschen Steuermitteln getragen würden?