kabinenpredigt : Wahl nach Wunsch
Es wurde dann doch noch gewählt bei der Hertha. Werner Gegenbauer heißt seit Freitagabend der neue Vereinspräsident. Sein Vorgänger, Bernd Schiphorst, wird künftig Nachfolger von Gegenbauer als Aufsichtratschef werden.
„Wir tauschen bloß die Hüte“, hatte Schiphorst ungeschickterweise bereits Wochen vor dem Votum verkündet, so als ob man sich die Abstimmung auch sparen könnte. Er vermochte sich wohl nicht vorzustellen, dass jemand gegen den Unternehmer Gegenbauer kandidieren würde. Und letztlich behielt er Recht. Schiphorst selbst gelangte über gut gepflegte Seilschaften zu seinem Traumpöstchen.
Demokratietheoretisch gesehen eine vielleicht bedenkliche Ämterrochade. Aber was hat der Präsident eines Bundesligavereins schon zu sagen? Eigentlich nichts. Bei Hertha soll sich das allerdings mit der Wahl von Gegenbauer ändern. Denn ab nun tritt die vergangenen Sommer verabschiedete Satzungsänderung in Kraft. Der Präsident erhält mehr Kompetenzen. Zum Beispiel verfügt er bei teuren Transfers über ein Mitspracherecht. Wegen des damit verbundenen größeren Arbeitsaufwandes hat Schiphorst seinen Posten gegen einen geringfügigeren eingetauscht.
„Der Präsident wird das Gesicht des Vereins“, hatte Gegenbauer im Februar erläutert. Bislang wurde die Hertha-Physiognomie allein von Manager Dieter Hoeneß bestimmt. Vermutlich wird er dies auch bis zu seinem Abschied 2010 weiter tun. Gegenbauer dürfte ihn dabei kaum in seinem Handeln einschränken. Diese Befürchtung hegten vermutlich die 192 Mitglieder, die am Freitag (bei 672 Jastimmen) gegen Gegenbauer votierten. Strukturell hat Hertha mit seiner Satzungsänderung aber Vorsorge geleistet, dass es in Zukunft einen Alleinherrscher wie Hoeneß kaum noch geben wird.
Vetternwirtschaft, Ämtertausch oder Wahlen mit nur einem Kandidaten bleiben wie in jedem Verein weiter im Bereich des Möglichen. Aber wie hat doch Expräsident Schiphorst letztes Jahr nach der vollzogenen Klubreform bestimmt erklärt: „Mehr Demokratie ist nicht möglich.“ JOHANNES KOPP