kabinenpredigt : Perfekter Abwurf
Ein drögeres Sportwochenende als das vergangene hat Berlin in diesem Jahr noch nicht erlebt. Lediglich kümmerliche drei Termine hatte die Deutsche Presseagentur in ihrem Veranstaltungskalender notiert: Beachvolleyball am Hauptbahnhof, ein ADAC-Motorbootrennen in Grünau und das obligatorische Pferdegehoppel in Mariendorf.
Beim Googeln tauchte dann am Samstagabend überraschenderweise noch ein weiteres Event auf. Nach Eingabe der Wörter „Berlin“ und „Sport“ stand unter der Rubrik Nachrichten an erster Stelle ein Tagesbericht über die Gummistiefelweitwurf-Weltmeisterschaft in Hohenschönhausen. Gummistiefelweitwurf-WM? Kein anderes Wort hätte die Berliner Sport-Sommerlochtristesse besser beschreiben können.
Was dieses Schuhgeschleudere mit Sport zu tun hat? Nun, die Internet- Enzyklopädie Wikipedia definiert so klobig und wasserdicht, wie der Gummistiefel selbst beschaffen ist: „Der Gummistiefelweitwurf ist eine Sportart, in der es gilt, einen Gummistiefel möglichst weit zu werfen.“ Ach so.
Eine lupenreine Funsportart könnte man denken, wenn man nicht wüsste, dass sich die Finnen das Ganze im Jahre 1975 ausgedacht haben. Der finnische Weltrekordhalter Jouni Viljanen versicherte in Berlin glaubhaft, dass in seiner Heimat keiner über sein Hobby lachen würde.
In Deutschland hingegen begannen im Jahre 2003 die Ersten Gummischuhe zu werfen, weil sie das so komisch fanden. Nach einer Radiosendung über die Wurfsonderlinge gründeten sie Vereine mit so spaßigen Namen wie „Gib Gummi 03“, „Gib Leder 04“ oder „7-Meilen-Stiefel“. Organisiertes Lustigsein eben. Seitdem ist Berlin in Deutschland so etwas wie eine Gummischuhweitwurfhochburg. Und deshalb wurde die Weltmeisterschaft auch hier ausgerichtet.
Natürlich kann man allerlei Dinge weit werfen. Wenn man den eigenen Hausrat durchforstet, lassen sich gewiss mehrere Dutzend Europa- und Weltmeisterschaften ausdenken. Als Beispiele seien nur die Gießkanne, der Staubwedel oder die Klobürste genannt. Eine Handyweitwurfeuropameisterschaft soll es schon gegeben haben. Das nur zur Vorwarnung. Im nächsten Sommer um diese Zeit kann man mit einer solch witzigen Erfindung dann in den Schlagzeilen ganz weit vorne landen. JOHANNES KOPP