kabarett: Die Zehn Gebote fürs Wartezimmer
Was der neue Papst wohl zur bitteren Erkenntnis des Kölner Kabarettisten Peter Vollmer sagt, dass Gott in Sachen Mensch bislang nur Ausschuss produziert hat? Angesichts der vielen Krankheiten, denen Mann und Frau immer aufs Neue ausgesetzt sind, ist dieser Schluss zumindest nachvollziehbar. In seinem neuen Soloprogramm „Neue Doktor-Spiele“, das nunmehr siebte seit 1992, geht der Satiriker diesem Gedankengang nach, erweitert ihn dabei um Beobachtungen über die aktuelle Gesundheitsreform, den Jugend- und Wellnesswahn, die Jagd nach glatter Haut und straffem Bauch – ein weit gespanntes Kaleidoskop.
Da entlarvt er den beliebten Kölner Melissengeist als Einstiegsdroge für Senioren in den Drogenkonsum, weist der doch stolze 79 Prozent Alkohol auf. Er schildert in schier atemlosem Stakkato die skurrilen Erlebnisse eines Privatpatienten, untersucht die merkwürdigen Verbindungen zwischen Erotik und Esoterik, beschreibt ausführlich das Nordic Walking als optische Umweltverschmutzung, das Formfleisch der Body-Builder, den Waschlappen als Bakteriensammler und die Zehn Gebote für das richtige Verhalten im Wartezimmer. Schließlich endet er bei den verzweifelten Werbeanstrengungen der Ärzte um die ausbleibenden Patienten.
Vollmers Beobachtungen sind scharf, durchweg pointiert formuliert und haben ein gekonntes Timing. Doch er ist und bleibt ein sanfter Charmeur, bei dem die Schwiegermütter reihenweise schwach werden.
Wenn er zur Ohrfeige ansetzt, landet der körperliche Rüffel am Ende eher als liebevoller Tatschler auf der Wange des Bösewichts. Auch eine tiefer gehende satirische Durchleuchtung der gesundheitspolitischen Machtverhältnisse bleibt aus. Peter Vollmers unverschämt freundliches Lächeln überwiegt und schleift die im Text steckenden Stachel glatt.
Da übersieht das Publikum gerne manch Schlüpfriges und die dezent verstreuten Kalauer – oder erfreut sich gerade daran. Wer Spaß an derlei Satireprogrammen mit ihrer reichlichen Dosis „(Ab-)Lachen ist die beste Medizin“ hat, kommt hier voll auf seine Kosten. JÜRGEN SCHÖN
„Vollmers neue Doktor-Spiele“, 2. und 3. Juni, 20.30 Uhr, Eifelturm-Theater Köln, Eifelstr. 33, Tel. 0221/32 17 92
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