jenseits der stiefelnazis : Gefühlige Politik
Wenn die Krise da ist, ist die Gelegenheit günstig für Populisten. Von daher ist es nur folgerichtig, dass Joachim Siegerist in Bremen zur Landtagswahl antreten will. Denn zehn Jahre große Koalition in Bremen waren herzlich unergiebig. Und die Zahl der Frustrierten ist hoch: Bundesweit hat das Land die meisten Insolvenzen, 140 Fälle auf 100.000 Einwohner.
KOMMENTAR VON BENNO SCHIRRMEISTER
Der Volksverhetzer Siegerist will den Mittelstand erreichen, und deshalb sieht er hier seine Chance. Wie er die gutbürgerlichen Stimmen fischen will, war am Samstagabend zu erkennen: „Bremen muß leben“ nennt er seine Gruppierung, auf räumliche Distanz zu Stiefelnazis legt er schon seit jeher Wert.
Einer wie Siegerist appelliert lieber ans Herz: Denn Gefühle sind ein außerordentlich starker Kitt. Heimat, Glauben und Tierliebe sind die Themen seiner „Konservativen Deutschen Zeitung“, ebenso wie Ressentiments gegen Ausländer, Politiker und Sozialhilfeempfänger. Eine triste Mischung – noch simpler als jene, die Schill seinerzeit in Hamburg kurzfristig nach oben spülte. Dass die Bremer das vergessen hätten, und nun in ihm, dem Schill-Imitat, einen Problemlöser erkennen könnten, ist Siegerists Hoffnung.
Sie ist kühn. Aber nicht ganz unbegründet. Denn Dummheit ist ein außerordentlich weit verbreitetes Laster.