piwik no script img

jenni zylka über Sex & LügenEin Mann wie ein „Yps“-Heft

Wenn die Hausfrauenallegorien nicht ausreichen, um einen geliebten Menschen zu beschreiben

Meine Hamburger Freundin hat einen neuen Freund. Und, was ist das für einer?, frage ich sie darum neugierig am Telefon. Weil meine Hamburger Freundin frisch und schwer verliebt ist, kann sie nicht normal reden, sondern nur schwärmen.

Er interessiert sich für sooooo viele tolle Sachen, fängt sie an, zum Beispiel für Fußball! Wow, sage ich. Und, orgelt sie weiter, wir haben auch extrem viel gemeinsam: Zum Beispiel waren wir beide auf einer Gesamtschule! Wow, sage ich, sehr ungewöhnlich. Ihr und nur Millionen anderer. Aber meine Freundin lässt sich nicht beirren. Er ist ziemlich ruhig, sagt sie, weißt du, er kommt mir irgendwie so stabil vor! Am zweiten Tag hat er mir sofort ein Regal angebohrt und zwei Wasserkisten hochgetragen. Er redet zwar nicht viel, aber wenn, dann hat es Hand und Fuß. So richtig einer zum Behalten.

Die Kategorie kenne ich. Ein Mann wie ein Manufactum-Katalog, einer mit der Unterzeile „Es gibt sie noch, die guten Dinge“. Einer von denen, in deren Küche Messerblöcke mit thüringischen Stahlmessern samt Wetzstein stehen. Die auf ihren Feldsalat echtes steirisches Kürbiskernöl gießen, aus handgeernteten Kernen, nach einer Rezeptur, die der Kürbiskernhersteller seit 150 Jahren immer wieder von seinem jeweiligen Opa am Totenbett anvertraut bekommt. Die irische Seemannspullover tragen, die seit 1812 von Seemannsbräuten nach dem gleichen Muster handgestrickt werden. Die aus reinem englischen Leinen genähtes auswaschbares Stoffklopapier benutzen – so einer ist der neue Freund meiner Hamburger Freundin.

Ähem, sage ich darum, als sie plötzlich in dem Geschwärme innehält und mir damit bedeutet, dass ich jetzt mit einem Kommentar an der Reihe bin. Wo habt ihr euch denn kennen gelernt? Ach, sagt sie, das war auch ganz toll: im kunsthandwerklichen Museum. Ich mache dort manchmal Führungen, und er hat mich nach einem Rundgang durch die Spitzenklöppelei angesprochen – er habe da noch ein paar Fragen.

Klingt aufregend, murmele ich. Na ja, sagt sie, also ich gebe zu, dass Spitzenklöppeln nicht unbedingt das hotteste Thema für ein erstes Gespräch ist. Gibt Schlimmeres, sage ich, zum Beispiel, äh, Gespräche über Insolvenzverwalter. Jedenfalls, erklärt sie, das ist alles so nett und ruhig und einfach mit ihm … ich fühle mich richtig geerdet.

Ich wusste gar nicht, sage ich, dass du auf solche ruhigen und bodenständigen Typen stehst. Wolltest du nicht immer wilde Partybündel? Jahaaa, sagt meine drei Monate ältere Freundin wissend, dahin kommst du auch noch. Irgendwann hast sogar du die Nase voll von wilden Partybündeln. Kann ja sein, sage ich, aber muss es dann gleich so ein Manufactum-Mann sein? So ein teurer, altmodischer, langweiliger, ewig haltbarer aus uraltem Naturstein? Ich will lieber einen wie ein Yps-Heft. Und übrigens habe ich auch noch nach 25 Jahren sehr viel Spaß mit meinem Hart-gekochte-Eier-Viereckigmacher aus gelbem Plastik.

Meine Freundin seufzt glücklich. Langweilig ist relativ, sagt sie. Du musst doch zugeben, dass doppelt gehärtete Stahlmesser einfach besser schneiden als die aus dem 55-Cent-Laden.

Können wir mal aufhören, andauernd in Hausfrauenallegorien zu reden?, sage ich etwas unfair, denn ich habe ja mit dem Mist angefangen. Aber meine Freundin ist so voll von Verliebtheitshormonen, dass sie den Unterton nicht heraushört. Gut, sagt sie, also komm mich doch bald besuchen, dann lernst du ihn kennen. Und ich werde jetzt mal auflegen, denn ich muss noch den Dokumentarfilm über Zugvögel für ihn programmieren. Auch so ein interessantes Hobby von ihm. Ich war noch nie mit jemandem liiert, der sich wirklich, also ernsthaft für Tiere interessiert!

Mmmh, sage ich. Zugvögel. Aber Küssen kann er auch? Wie ein … Staubsauger, sagt meine Freundin, und schiebt hinterher: Das ist garantiert meine letzte Hausfrauenallegorie für diesem Tag.

Fein, sage ich, das klingt doch schon viel besser. Dann geh jetzt mal deinen Wollpullover küssen. Und ich mach mir ein paar Eier viereckig. Und wenn ich endlich in dein Alter komme, dann gebe ich eine Kontaktanzeige im Manufactum-Katalog auf: Suche Mann zum gemeinsamen Yps-Heft-Verbrennen. Brauche den Platz auf dem Regal für meine neu angelegte Sammlung von Schüttelbörsen aus gegerbtem Rindsleder.

Haha, macht meine Freundin. Aber wie ich sie kenne, meint sie das durchaus liebenswürdig.

fragen zu sex & lügen? kolumne@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen