italien : Wettlauf der Notkandidaten
Vorwärts in die Vergangenheit – so müsste eigentlich das Motto der Massenveranstaltungen lauten, mit denen Romano Prodi und Silvio Berlusconi heute ihr Dauerduell bis zu den Wahlen 2006 einläuten. Eigentlich sind die zwei älteren Herren beide Fälle für die politische Rente. Romano Prodi (65) leistete zwar als Ministerpräsident 1996–98 solide Arbeit, wurde dann aber von der eigenen Koalition im Stich gelassen und schließlich nach Brüssel weggelobt, um andren Raum zu lassen. Silvio Berlusconi (69) dagegen ist zwar immer noch – und zum zweiten Mal seit 1994 – im Amt, doch seine Bilanz ist mehr als dürftig: Zupackend zeigte sich der Premier eigentlich nur, wenn es um die eigenen Interessen ging, um die Zähmung der Justiz und die Absicherung seines Medienimperiums.
KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN
Anderswo würden sich die politischen Lager zwangsläufig nach anderen, nach „unverbrauchten“ Kandidaten umschauen. Nicht in Italien. Das eine Lager, die Rechte, darf sich gar keinen anderen Kandidaten suchen. Hauptgesellschafter der Regierungskoalition ist die Forza Italia – und Alleingesellschafter dieser „Partei“ ist Silvio Berlusconi.
Das andere Lager, der Mitte-links-Block, kann keinen anderen Kandidaten finden. Erst hat man es mit anderen Frontmännern probiert, verschliss zunächst zwei weitere Ministerpräsidenten nach Prodi und daraufhin im Jahr 2001 den Kandidaten Francesco Rutelli. Dann, in der Opposition, zeigte sich schnell, dass keiner der Mitte-links-Exponenten konsensfähig sein würde – außer eben Prodi, der fern vom täglichen Gezänk in Brüssel hockte.
Beide Kandidaturen sind aus der Not geboren – doch beide politischen Lager haben es geschafft, daraus eine Tugend zu machen. Berlusconi inszeniert sich erneut als Mann des Aufbruchs, des „italienischen Wunders“, das zwar in den letzten Jahren ausgeblieben ist, aber nun dank der eilig verabschiedeten Steuersenkungen endlich kommen soll. Und Prodi präsentiert sich als der Retter aus der Not – nicht nur für das durch Berlusconi heruntergewirtschaftete Vaterland, sondern auch für seine zerstrittene Mitte-links-Allianz.
Die aber konnte sich auf ihn nur einigen, weil sie einen Anti-Berlusconi braucht – viel mehr als die Gegnerschaft zum Regierungschef hält die Opposition nicht zusammen. Ein gemeinsamer politischer Entwurf, dazu die Überzeugung, dass Prodi den am besten verkörpere? Fehlanzeige. Zukunft sieht anders aus.
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