inselkoller : Kinn vs. Verstand
Wenn auch nicht beim Fußball, so liegen die Engländer doch in einem anderen Bereich weit vorne: bei den Fußball-Kommentatoren. Wer die kläglichen Humorversuche von Beckmann, Delling, Netzer und Co. gewöhnt ist, hätte seine helle Freude an den Kommentatorenteams der BBC, die es nicht an Sarkasmus und Spott fehlen lassen. Das hat Tradition seit Jimmy Hill, dem Mann mit dem längsten Kinn Westeuropas. Von 1973 bis 1988 präsentierte er jeden Samstag das „Match of the day“. Zuvor war er Spieler, Trainer, Spielertrainer, Clubvorsitzender, Gewerkschaftsboss, Linienrichter und Opernsänger. Er komponierte die Arsenal-Hymne „Good Old Arsenal“. 1961 organisierte er einen Spielerstreik für die Abschaffung der Einkommensgrenze von 20 Pfund pro Woche. Und er überzeugte den englischen Fußballverband bereits 1981, die Drei-Punkte-Regel für einen Sieg einzuführen, um damit den Angriffsfußball zu fördern. Die Fifa folgte erst 13 Jahre später. Leider ist Hill aber auch ein Rassist. Nachdem der eher schlichte Trainer Ron Atkinson den französischen Spieler Marcel Desailly einmal als „faulen, dummen Nigger“ bezeichnet hatte, legte Hill noch eins drauf: Das Wort „Nigger“ sei auch nicht beleidigender, als über jemanden zu sagen, er habe ein langes Kinn. Langes Kinn, kurzer Verstand?
RALF SOTSCHECK