industrie holt auf: Die Mischung macht’s
Die Berliner Industrie hat die Trendwende geschafft. Seit nunmehr zwei Jahren schrumpft dieser Wirtschaftszweig, der wie kein anderer unter Abbau und Umstrukturierung des Nachwende-Jahrzehnts gelitten hat, nicht weiter. Auch wenn dies zunächst nichts weiter als eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau bedeutet, ist dies für Berlin eine gute Nachricht. Denn es zeigt: Die Industrie-Unternehmen sind durchaus wettbewerbsfähig – die „verlängerten Werkbänke“ aus Westberliner Zeiten sind passé.
Kommentar von RICHARD ROTHER
Darauf lässt sich aufbauen, wenn der Weg, der zum Erfolg geführt hat, weitergegangen wird: Die Betriebe ersetzten nach und nach einfache Produkte durch höherwertige, bauten die regionale Vernetzung untereinander und mit Dienstleistern aus. Zu machen ist dies alles aber nicht ohne die Menschen: Wer hochwertige Produkte herstellen will, braucht qualifiziertes Personal. Das beginnt in der Schule, setzt sich bei Lehrstellen und Studienplätzen fort. Trotz schwieriger Haushaltslage darf im Bereich Bildung und Qualifizierung nicht gespart werden.
Die Trendwende in der Industrie verdeutlicht aber mehr: Berlin ist zwar keine Industriestadt; eine Stadt dieser Größenordnung, die im internationalen Finanzgeschäft keine Rolle spielt, kann aber nicht nur auf Hauptstadt, Tourismus und Medien setzen. Mancher betrachtet die Industrie nur als notwendiges Übel auf dem Weg zur Dienstleistungsmetropole. Dieser Traum ist aber ausgeträumt – die Immobilienpleiten der Bankgesellschaft und das Aus manchen New-Economy-Experiments zeigen es. Dabei ist klar: ohne Industrie keine Dienstleistung – und umgekehrt. Für die Politik des neuen Wirtschaftssenators gilt also, was man – den letzten Sommercocktail bestellend – an jeder guten Bar sehen kann: die Mischung macht’s.
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