in fussballland : Plastikpferdchen vom Tivoli
CHRISTOPH BIERMANN über die absonderlichen Geschenke, die Alemannia Aachen seinen Gastmannschaften überreicht
Christoph Biermann, 44, liebt Fußball und schreibt darüber
„Männer sind eben doch überlegen im Multitasking“, steht im ersten Satz einer Pressemitteilung des Zweitligisten Alemannia Aachen zu lesen und weist diese Behauptung – „mit einem Augenzwinkern“ – als Zitat des freischaffenden Künstlers und Illustrators Detlef Kellermann aus. Nun sind Männer im Zweifelsfall eher Monsters of Tunnelblick als zur gleichzeitigen Erledigung vielfacher Aufgaben in der Lage, aber vielleicht ist dieses Schriftstück, das auf dem Briefpapier der Alemannia (Slogan: „echt. klasse.“) gedruckt, jedoch von einer Agentur für Corporate Communications verschickt worden ist, einem Spaß mit versteckter Kamera zuzuordnen.
„Bei allen Heimspielen der laufenden Saison erhält der Kapitän der Gästemannschaft eine von Künstlerhand gestaltete Pferdeplastik“, wird hier nämlich ernsthaft behauptet, und man befürchtet, sofort vor ein Millionenpublikum gezerrt und dort herzlich verspottet zu werden, wenn man so einen Unsinn in der Zeitung zum Abdruck bringt. Wobei die Falle natürlich nicht ungeschickt gestellt ist, denn ganz in der Nähe des Tivoli, wo Alemannia Aachen die Heimspiele austrägt, ist das Reiterstadion, in dem 2006 die Weltreiterspiele stattfinden werden. Und besagte Pferdeplastiken tragen als „Brandzeichen“ das Logo des Fußballklubs und besagter Reiterspiele.
Zunächst, so belehrt einen die Pressemitteilung weiter, hätte der multitaskende Herr Kellermann eigentlich die Idee des „Bronzeguss eines sich auf einem Ball aufbäumenden Pferdes“ verwirklichen wollen. Dass diese Eingebung nur aus „Zeit- und Kostengründen“ verworfen wurde, ist erstaunlich genug, denn was haben aufbäumende Pferde auf Fußbällen zu schaffen, und was wollte uns der Künstler damit sagen? Doch nicht nur der Ball und das Aufbäumen wurden gestrichen, auch die Bronze musste durch Kunststoff ersetzt werden, sodass die Pferdeplastiken im Grundzustand nun so aussehen, wie man sie auch im Spielzeugwarenladen kaufen kann.
Allerdings sind sie dort selbstredend nicht in Vereinsfarben angemalt (Warum auch?). Zudem sind ihnen keine („Pimp up my horse“) Flammen auf dem Körper appliziert, wie das bei einigen der Künstlerpferdchen der Fall ist. Das kann man einer 18-teiligen Bilderserie entnehmen, die der Pressemitteilung beigelegt wurde. Das Pferd von Wacker Burghausen ist mit Blattsilber überzogen, dafür wurde auf Flammen verzichtet. Auf dem für die Offenbacher Kickers ist nur „Kick“ zu lesen. „Purpurrot mit ebenso emotionaler wie keck abstürzender Aufschrift“, wird behauptet, außerdem ist von einem „mit Blattgold belegten Buchenholzsockel“ die Rede. Bei anderen Klubs waren ergänzende Formen wie Flügel, Bälle oder Kronen zum Einsatz gekommen und bei ihrer Herstellung wahrscheinlich Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.
Allerdings muss an dieser Stelle mal Herr Kellermann in Schutz genommen werden, denn man ahnt, dass die Konjunktur für Illustratoren und Künstler derzeit auch eher untertourig vor sich hin tuckert, sodass er wahrscheinlich über den Auftrag der Geschäftsführung des Aufstiegskandidaten froh war, Zossen und Kicker unter einen Hut zu bekommen. Zugleich muss man sich aber die dringende Frage stellen, welche Schneisen der Verwüstung die Ideen von Marketingmenschen im schönen Fußballsport noch anrichten werden. Überreicht werden die Kunstpferde dem gegnerischen Mannschaftskapitän nämlich von einem Sponsor, was jedoch nicht als irritierender Psychoterror („Warum schenken die uns ein Pferd? Die wollen uns überrennen und fertig machen! Die glauben, wir sind keine Hürde!“) verstanden werden soll. Vielmehr verwandeln sich die Sponsoren (oder sind es die Pferde?) in „Botschafter Sinn stiftender Alltagskultur“. Und selbst wenn ich spätestens an dieser Stelle noch einmal prüfend nachschaue, ob das wirklich so dasteht und das Surren der versteckten Kamera zu hören glaube, schwöre ich beim Aufstiegsplatz meines Vereins, dass dieser Text nicht nur komplett drogenfrei entstanden ist, sondern nichts davon ausgedacht ist.
Von Christoph Biermann ist ein neues Buch erschienen: „Fast alles über Fußball“. Kiepenheuer & Witsch, 9,90 €