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Archiv-Artikel

hymne, integration etc. Nuestro himno, Milli Marsimiz

Von BAX

Hinterher fragt man sich ja immer, wie alles eigentlich begann. Denn die meisten Kulturkämpfe beginnen ganz banal. Also: In den USA hat eine Riege prominenter Latino-Popstars wie Gloria Trevi, Ivy Queen und Frank Reyes eine spanische Version der US-Nationalhymne aufgenommen. Das hübsche Stück, das ein wenig an „We are the World“ erinnert, sollte ein Zeichen der Solidarität setzen mit jenen Einwanderern, die derzeit in den USA für ihre Bürgerrechte auf die Straße gehen, und ist im Grunde eine charmante Liebeserklärung an die neue Heimat.

Doch in den USA kam „Nuestro himno“, so der spanische Titel, gar nicht gut an – die Verfremdung wurde von manchen als Übergriff, ja gar als Sakrileg gewertet, sodass selbst Präsident Bush sich bemüßigt fühlte, das harmlose Lied zu kritisieren. Als ob dem „Star Spangled Banner“ – der ja immerhin schon von Jimi Hendrix in Woodstock zersägt wurde – noch nie etwas Schlimmeres passiert wäre.

Man hätte an dieser Posse die Ehrpusseligkeit im Umgang mit nationalen Symbolen belächeln oder ablesen können, wie ressentimentbeladen die Immigrationsdebatte in den USA inzwischen geführt wird. Tja, doch leider kam die Berliner Boulevard-Zeitung B.Z. auf die Idee, mit Hans-Christian Ströbele mal einen der üblichen Multikulti-Verdächtigen hierzulande zu fragen, was er denn von einer türkischen Version der deutschen Nationalhymne halten würde. „Kann man machen“, antwortete er sinngemäß, „warum nicht?“, was von dem Blatt flugs in eine Forderung umgedichtet wurde, um Ströbele so besser am Nasenring durch die Arena führen zu können.

Fast stündlich melden sich seitdem alle möglichen Politiker und Leitartikler zu Wort, meist mit Schaum vor dem Mund, und selbst Parteikollegen distanzierten sich von Ströbele. „Es war doch nur ein Scherz“, möchte man ihnen zurufen, „ein harmloses Gedankenspiel“, aber es hört ja keiner mehr zu.

Dafür haben zahlreiche Radio- und TV-Sender den Gag aufgegriffen und „Einigkeit und Recht und Freiheit“ mal probeweise ins Türkische übersetzt. Man sollte die Versionen jetzt auf CD einsingen lassen, am besten von Grup Tekkan („Wo bist du, mein Sonnenlischt“): als Zeichen deutscher Humorfähigkeit. BAX