piwik no script img

heute weit weg von bremen„An Bord sind wir besser dran als an Land“

Andrea Koschinsky

56, ist Professorin für Geowissenschaften an der Jacobs University und wissenschaftliche Fahrtleiterin auf der „Meteor“-Expedition M169.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Koschinsky, Sie sind seit dem 11. Dezember auf dem Forschungsschiff „Meteor“. Schon seekrank geworden?

Andrea Koschinsky: Wir hatten schon eine unruhige Nacht und sind ordentlich durchgeschüttelt worden. Im Moment kommen einige Stürme, die sich etwa bei Island oder Spitzbergen bilden, hier runter in die Nordsee. Interessanterweise bin ich früher nicht seekrank geworden, mittlerweile passiert das häufiger. Vielleicht ist das etwas, was sich im Laufe des Lebens verändert.

Warum findet die Reise im Dezember statt?

Normalerweise würden Fahrten in die Nordsee nicht in diese Jahreszeit gelegt, sondern in den Frühling oder Sommer. Im Winter würde man stattdessen in tropische Regionen oder auf die Südhalbkugel fahren. In der aktuellen Situation kann man aber keine ausländischen Häfen anlaufen. Wir sind froh, dass wir überhaupt forschen können. Größere Forschungsschiffe wie die „Meteor“ sind eigentlich auch selten an der Küste unterwegs, schon gar nicht in Flüssen, so wie wir das jetzt tun.

Sie untersuchen die Ausbreitung und Auswirkung von Hochtechnologie-Metallen in Gewässern. Was für Metalle sind das?

Technologien für erneuerbare Energien wie Windkraftanlagen, für Elektromobilität, aber auch für die Medizin brauchen häufig entweder Metalle wie Kupfer oder auch seltene Erden. Das Element Gadolinium etwa wird als Kontrastmittel bei der Magnetresonanztomografie – MRT – verwendet. Ein anderes Beispiel ist Platin, das wir durch die Schmuck- und Automobilindustrie kennen, es wird aber inzwischen auch in der Medizin eingesetzt. Platin ist erst mal nicht gefährlich, wir wissen aber nicht, was passiert, wenn es sich in größeren Mengen anreichert.

Was erhoffen Sie sich von den Ergebnissen?

Wir möchten überhaupt erst mal eine Datenbasis erstellen. Die Daten sollen erfasst werden, bevor ein bestimmtes Element durch menschlichen Eintrag in erhöhter Menge vorkommt. Erst dann kann man bewerten, ob und ab welchem Punkt die Konzentration kritisch wird.

Forschungsreise mit dem Schiff „Meteor“ von Wissenschaft­ler:innen der Jacobs University und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 11.–29. Dezember, Nordsee, Elbe, Ems und Weser

Es geht also zunächst um die Erfassung des Status quo.

Ja, im Meerwasser ist fast das gesamte Periodensystem der Elemente vorhanden. Die Frage ist, was durch den Menschen dazukommt und in welcher Form. Denn neben der Konzentration entscheidet auch die Form einer Substanz darüber, ob sie von einem Organismus aufgenommen wird und giftig sein kann. Darüber weiß man bisher nur wenig, es ist also viel Grundlagenforschung. Wir haben aber auch einen anwendungsorientierten Nutzen im Hinterkopf. Zum Beispiel beim Thema Regulierung: Die Grenzwerte, die man bisher für bestimmte Stoffe hat, sind ja keine festen Gesetze, sondern wurden auf Basis von Erkenntnissen festgelegt. Gibt es neue Erkenntnisse, müssen dementsprechend die Grenzwerte angepasst oder neue definiert werden.

Wie wird Weihnachten auf einem Forschungsschiff gefeiert?

An Bord sind Sonn- und Feiertage keine freien Tage. Ein Forschungsschiff kostet viel Geld und es wird in Schichten sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag gearbeitet. Man versucht aber schon, sich jeden Tag ins Bewusstsein zu rufen, dass das gerade eine ungewöhnliche Zeit an Bord ist. An Heiligabend haben wir ein Kartierungsprogramm durchgeführt, das möglichst wenig Personal erforderte. Es gab ein Weihnachtsessen und der Schiffsarzt, der auch ein begabter Musiker ist, hat Cello gespielt und wir Wissenschaftler haben dazu Weihnachtslieder gesungen. An Bord sind wir dieses Weihnachten besser dran als viele Leute an Land.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen