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heute in hamburg„Darauf ausgelegt, exklusiv zu sein“

Konferenz „Breaking the Canon“: bis So, 13. 6., kostenfreie Streams unter https://vimeo.com/kampnagel. Das Programm am Freitag und Samstag findet auch live mit Publikum statt. Infos: https://kampnagel.de

Interview Robert Matthies

taz: Frau Barre, was für eine Gesellschaft bildet der deutsche Literatur- und Theaterkanon ab?

Lubi Barre: Der Kanon repräsentiert eine sehr kleine homogene, weiße, europäische Perspektive. Durch Tradition und Ausführung ist er darauf ausgelegt, exklusiv zu sein. Dies und viele andere Gründe sind der Anlass, warum wir uns entschieden haben, eine Konferenz zu diesem Thema zu machen.

Stimmen von anderen werden also von vornherein „gecancelt“?

Ganz genau. Stimmen von Menschen of Colour, aus LGBTQ- und Behinderten-Communitys wird keine Plattform gegeben, um teilzuhaben. Wenn sie teilnehmen, dann durch diese stereotype Linse des weißen Kanons. Also werden ihre Stimmen oft ausgelöscht, ignoriert oder verzerrt. Das ist systemisch. Nur sehr wenige Menschen aus diesen Communitys arbeiten in den Institutionen, angefangen vom Intendanten über die Dramaturgie bis hin zur PR etc. Der Zugang wird auf diesen entscheidenden Ebenen erschwert.

Wie geht man dann kritisch mit dem ­Kanon um?

Das ist die Frage, die wir zu stellen versuchen: Wie bekommen Leute wie wir, die außerhalb des Kanons stehen, Zugang zu ihm und brechen ihn von innen? Sie können nicht einfach sagen: Vergesst den Kanon, denn das ist ein Privileg, das uns nicht vergönnt ist. Marginalisierte Communitys müssen weiterhin Zugang zum Kanon erhalten, damit ihre Stimmen gehört werden, damit ihre Arbeit nicht Alibi ist, sondern normalisiert wird. Und wir sollten weiterhin mehr Konferenzen wie diese haben, um die Diskussion in Gang zu halten.

Ist die Literatur- und Theaterlandschaft denn in den letzten Jahren zumindest diverser geworden?

Foto: Nico Scagliarini

Lubi Barre

geboren 1982 in Paris, ist in Somalia und den USA aufgewachsen, lebt in Hamburg als Autorin, Moderatorin und Kuratorin. Sie ist Mitorganisatorin der Hamburger Lesereihe „AHAB“.

Im Moment ist Vielfalt der heiße Trend. Wenn man also in Buchläden oder Institutionen geht, sieht man ein bisschen mehr verschiedene Gesichter und Programme. Aber das ist nur oberflächlich. Eine wirkliche Veränderung ist für mich, wenn ich mehr Intendanten, Dramaturgen und andere Mitarbeiter of ­Colour, aus den LGTBQ- und Behinderten-Communitys in diesen Institutionen sehe.

Kampnagel, wo die Konferenz stattfindet, bemüht sich ja, diverser zu sein.

Ja, aber ich bin da kritisch. Wenn man auf die Bilder sieht, ist es offensichtlich vielfältiger, man sieht ganz unterschiedliche Leute. Aber wir sind auch an einem Punkt, wo Diversität zum Marketing-Tool geworden ist. Wie vielfältig kann man sein, wenn man das Ganze noch durch die Linse einer weißen Dramaturgie betrachtet, die sich aus diesen Communitys bedient? Natürlich ist es besser als nichts, aber ich bin nicht an solch kleinen Schritten interessiert. Die Veränderung muss systemisch sein. In der Literatur ist Diversität derzeit ein Trend. Aber die Frage ist, was passiert nach dem Trend, wenn es nicht mehr so cool und interessant ist. Deswegen will ich ungehörte Stimmen mit Menschen zusammenbringen, die die Räume und die Mittel haben, ihnen Gehör zu verschaffen.

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