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heute in hamburg„Eine Menge Journalisten inhaftiert“

Diskussion: Reveal the unknown about Syria“, Kampnagel, Migrantpolitan, Jarrestraße 20, 20 Uhr, Eintritt frei

Interview Regina Seibel

taz: Herr Aboura, welche Informationen über die Situation in Syrien sind nicht öffentlich bekannt?

Anas Aboura: Viele, denn die meisten syrischen Medienplattformen stehen unter politischem Einfluss, weshalb sie nur die Informationen verbreiten, die der Meinung ihres Geldgebers oder des Plattformen-Gründers entspricht. Sie erwähnen ungünstige Vorfälle und Gruppen nicht.

Was meinen Sie damit?

Ein Beispiel wären die Explosionen in Damaskus zwischen 2011 und 2013. Die Berichterstattung war politisch motiviert. Die meisten ansässigen Syrer wussten über Zeit, Ort und sogar die Hintergründe der Tat Bescheid. Die Berichterstattung deckte sich damit nicht. Sowohl das Assad-Regime als auch die Opposition fälschen in Syrien Informationen – so senken sie zum Beispiel die Anzahl der Opfer eines Anschlags und verschweigen, dass nicht nur Kriminelle getötet wurden.

Wie ist es möglich, sich unabhängige Informationen zu beschaffen? Beispielsweise für deutsche Medien?

Meistens gar nicht, wenn man keine verlässliche lokale Quelle hat. Viele der Medien hier in Europa haben nur die beeinflussten Quellen aus Syrien zur Verfügung. Seitdem die Botschaften in Syrien 2012 geschlossen wurden, ist es umso schwerer, an neutrale Informationen zu kommen.

Wie beschaffen sich denn die Einwohner Syriens Informationen?

Foto: privat

Anas Aboura, 34, ist Dramaturg bei Kampnagel, 2015 flüchtete er aus Syrien nach Deutschland.

In Syrien war es für uns sehr einfach, verlässliche Informationen zu bekommen. Nach den Anschlägen zwischen 2011 und 2013 haben Aktivisten vor Ort erste Hilfe geleistet. Diese wussten oftmals über die genaue Anzahl der Verletzten und Toten Bescheid. Wir haben ein großes Netzwerk, bestehend aus Personen, die in verschiedenen Städten leben und unterschiedlichen Gruppierungen angehören. Als ich während der Revolution in Syrien gelebt habe, habe ich mein Netzwerk genutzt, um zu erfahren, was gerade vor sich geht.

Syrien hat ein großes Problem mit der Pressefreiheit. Das Land ist im Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 174 von 180.

Das stimmt. Vor der Revolution wurden die Medien zu hundert Prozent vom syrischen Regime kontrolliert. Journalisten wurden dazu gezwungen, über die Punkte zu berichten, die von der Regierung gefordert wurden und dieser nützlich waren. Jede andere Perspektive wurde nicht akzeptiert, sondern bekämpft. In Folge dessen wurden auch eine Menge Journalisten und Aktivisten inhaftiert.

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