heute in hamburg: „Irgendwann sagt der Körper stopp“
Interview Alexander Diehl
taz: Frau Acker, Frau Lambert, wovon sprechen wir, wenn wir von „Workaholics“ sprechen?
Karin Lambert: Von Menschen, bei denen sich sehr viel um die Arbeit dreht. Sie definieren sich stark über die Arbeit und das, was sie dort leisten. Und dementsprechend arbeiten sie dann auch überdurchschnittlich viel.
Jana Acker: Es hat etwas damit zu tun, wie wir uns definieren, worüber unser Selbstwertgefühl entsteht. Manche Menschen haben vielleicht als Kind gelernt: Nur wenn du etwas leistest, bist du auch etwas wert. Und genau das bringen sie später mit in die Arbeitswelt: Ich bin nur etwas wert, wenn ich viel leiste. Das Problem ist, dass sie dabei den Kontakt zur Innenwelt verlieren. Diese Menschen haben oft nur Kontakt zur Außenwelt; sind nach außen online, aber nach innen meistens offline – und merken nicht rechtzeitig, wenn es zu viel wird.
Welches sind die gesundheitlichen Folgen?
Lambert: Anfangs ist das oft gar nicht zu unterscheiden von so vielen anderen Sachen: Kopfschmerzen, Erschöpfung, Müdigkeit. Das wird oft unterschätzt, und man muss seinen eigenen Körper auch ganz gut kennen, um das zu bemerken. Das ist dann wieder sehr individuell. Kurzfristig geht das dann alles vielleicht, aber wir sprechen hier ja von lang anhaltenden Symptomen, auch mal über Jahre hinweg. Man verschiebt oder verschleppt sogar seine Erholungsphase. Und das kann sich dann auch in Herz-Kreislauf-Erkrankungen manifestieren oder anderen chronischen Beschwerden.
Acker: Kurzzeitig kann Stress ja durchaus positiv sein: Wir sind aufmerksamer, lernen besser. Aber wenn diese Stresshormone nicht abgebaut werden – durch Entspannung, Achtsamkeit oder auch Sport –, dann sind sie immer in zu hohem Maß im Körper vorhanden. Der sendet dann Alarmsignale, Schmerzen zum Beispiel. Richtig problematisch ist es, wenn wir dann Bewältigungsstrategien wählen, die das alles noch verschärfen.
Zum Beispiel?
Ich kann nicht schlafen, also nehme ich etwas ein, das mich aufputscht – oder runterbringt. Auch gegen Schmerzen gibt es Mittel. Diese Anfangssymptome sind Alarmsignale. Werden die über lange Zeit missachtet, sagt der Körper irgendwann stopp – zum Beispiel mit einer Erkrankung.
Tag der Workaholics: Der informelle Feiertag wird – nach dem Vorbild des National Workaholics Day in den USA – jeweils am 5. Juli begangen: Erstmals geschrieben hat das Wort Workaholics“ laut Oxford Dictionary der kanadische Toronto Star am 5. Juli 1947
Wie groß ist das Problem?
Lambert: Wir haben unsere Versichertenzahlen ausgewertet und festgestellt, dass die Zahl der als Burnout bezeichneten Diagnosen innerhalb von zehn Jahren um fast 134 Prozent zugenommen hat; im Jahr 2016 waren rund 26.000 Versicherte betroffen.
Was tun? Muss das Individuum seine Einstellung ändern, oder sind nicht auch die Arbeitgeber gefordert?
Lambert: Es ist eine Gemengelage. Dazu gehört auch, zu schauen: Wie sind die Strukturen? Wie steht es ums Betriebsklima? Sowohl der Arbeitgeber als auch jeder Einzelne kann etwas für sich tun. Prävention kann ein Bestandteil sein. Wir unterstützen Arbeitgeber bei der betrieblichen Gesundheitsförderung.
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