heute in hamburg: „Man könnte über die Hälfte Strom sparen“
Gotthold Fläschner, Jg. 1990, Physiker, Lehrbeauftragter an der HAW, promoviert derzeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in Biophysik.
Interview Petra Schellen
taz: Herr Fläschner, was ist eine Supraleitung?
Gotthold Fläschner: Normalerweise herrscht überall, wo Strom durchfließt, der sogenannte elektrische Widerstand. Das führt dazu, dass sich Geräte erwärmen – weshalb jeder Computer einen Lüfter haben muss. Bei Supraleitern existiert dieser Widerstand nicht.
Wie macht der Supraleiter das?
Mit Hilfe eines quantenmechanischen Effekts: Die Elektronen, die normalerweise allein durch den Leiter fließen, bilden hier Pärchen und gehorchen ganz anderen Gesetzen. Deshalb können sie den Widerstand quasi umgehen – ähnlich einer Meereswelle, die einen Stein umfließt.
Warum entstehen Elektronen-Pärchen?
Das hat die Wissenschaft noch nicht ganz verstanden. Moderne Supraleiter sind – anders als unsere „normalen“ Kupferleitungen – spezielle Materialkompositionen. Bislang funktionieren sie aber nicht bei Raumtemperatur, sondern bei weit niedrigeren Temperaturen.
Wie hat man das überhaupt herausgefunden?
Durch Zufall. Der Niederländer Kammerlingh Onnes, Physik-Nobelpreisträger von 1913, hat es bemerkt, als er mit dem Herunterkühlen von Gasen experimentierte. Dabei entdeckte er, dass Quecksilber bei tiefen Temperaturen seinen Stromwiderstand verlor. Er hatte den ersten Supraleiter gefunden.
Heißt das, der Strom fließt einfach schneller?
Nein. Aber durch einen Supraleiter kann man wesentlich mehr Strom schicken als durch unsere bisherigen Leiter. Unsere Computer brauchen deshalb Kühlsysteme, weil der Strom beim Überwinden dieser Widerstände Hitze produziert. Das ist verlorene Energie. Wenn wir verhindern könnten, dass der Strom im Computer elektrischen Widerstand erfährt, könnten wir viel sparen und leistungsfähigere Rechner bauen.
Das wäre eine ökologische Revolution.
Wenn es – was noch lange dauern kann – Supraleiter gäbe, die auch bei Raumtemperatur funktionieren, wäre das nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische und technische Revolution die unseren gesamten Alltag beträfe. Vorausgesetzt, die Produktion wäre rentabel.
Wie viel Strom könnten wir dann sparen?
Schwer zu sagen, aber die Ersparnis läge für viele Geräte sicher bei weit über 50 Prozent.
Warum dauert es so lange, das zu erforschen?
Weil es ein hartnäckiges Problem ist. Das mag auch Geldgeber abschrecken. Man muss einen extrem langen Atem haben.
Gotthold Fläschners Vortrag „Supraleitung – Der Weg des geringsten Widerstandes“: 17 Uhr, ZAW, Berliner Tor 5, Hörsaal 1.12
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