heute in bremen : „Gang und gäbe“
Ein Arbeitsrechtler erklärt, wie man sich gegen Bespitzelung am Arbeitsplatz wehren kann
taz: „Lideln“ ist mittlerweile zu einem geflügelten Synonym für Bespitzelung geworden...
Jochen Dressel, Arbeitsrechtler an der Uni Bremen: Der Discounter Lidl hat ein besonders unrühmliches Beispiel für die Überwachung von MitarbeiterInnen geliefert. Aber ich bin mir sicher, dass das nicht nur in anderen Supermärkten, sondern auch in anderen Branchen gang und gäbe ist. Zum Beispiel kenne ich einen Fall aus der fleischverarbeitenden Industrie, bei dem die Überwachung mit der Einhaltung von Hygienevorschriften begründet wurde.
Unter welchen Umständen ist dies denn zulässig?
Es gibt da eine rechtliche Grauzone. Einerseits hat das Bundesarbeitsgericht 2004 geurteilt, dass verdachtsunabhängige Videoüberwachung von Arbeitnehmern unverhältnismäßig und ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist. Andererseits hat es auch entschieden, dass Überwachung im Falle eines hinreichend konkreten Tatverdachts – etwa bei Diebstählen – als Notwehrmaßnahme erlaubt sein kann. Was Lidl gemacht hat, soviel ist sicher, war aber auf jeden Fall illegal.
Wie kann man sich dagegen wehren?
Die Möglichkeiten sind bedauerlicherweise begrenzt. Im Grunde genommen bräuchten wir ein eigenes Datenschutzgesetz für ArbeitnehmerInnen. Das haben wir aber nicht, und weder Rot-Grün, noch die große Koalition wollten es schaffen. Man könnte zwar auf Schmerzensgeld klagen, aber auch das ist rechtlich ausgesprochen schwierig. Von einem effektiven Rechtsschutz für alle sind wir weit entfernt. Nur dort, wo es einen Betriebsrat gibt, besteht auch ein wirksames Mitbestimmungsrecht. Fragen: Jan Zier
18 Uhr, Akademie für Arbeit und Politik, Parkallee 39, Raum 1260