heute in bremen: „Wir müssen möglichst viele Geräte retten“
Interview Alina Götz
taz: Herr Prietzel, wie gut ist Bremen beim Recycling von Elektroschrott?
Klaus Prietzel: Im Vergleich mit anderen Bundesländern relativ gut, aber da ist noch viel Luft nach oben. Wir haben bisher für Kleingeräte ein Bringsystem mit 16 dezentralen Recyclingstationen. Trotzdem gehen viele Geräte vor dem Recyclen verloren – über den Sperr- oder Restmüll. Wir müssen Angebote schaffen, das zu verhindern, beispielsweise durch eine regelmäßige Abholung von wiederverwendbaren Elektrogeräten im Haushalt.
Was passiert bei den Recyclingstationen mit den Geräten?
In der Regel werden diese zur Demontage abgegeben. An sieben Standorten kann man aber funktionsfähige Geräte auch separat zur Wiederverwendung abgeben, die dann überprüft und wieder in den Nutzungskreislauf gebracht werden. Ziel müsste aber sein, möglichst viele Geräte vor der Demontage zu retten und zur Wiederverwendung zu erhalten. Das ist in Bremen ausbaufähig.
Es wird heute auch darum gehen, dass über unsere Häfen Elektroschrott illegal verschifft wird. Wie kann das sein?
Es gibt Kontrolldefizite bei der Ausfuhr. Elektroschrott wird unter falscher Deklaration, entweder als heile Elektroware oder ganz andere Ware, verschifft und geht deswegen oft durch die Lappen. Diese unkontrollierte Grauzone von illegalen Exporten muss beendet werden.
Und warum wird dieser verschifft?
In den Empfängerländern gibt es eine Recyclingwirtschaft, in der der Schrott oft mehr wert ist als hier. Wenn Dinge woanders weiter verwendet werden, ist das ja prinzipiell nicht verkehrt. Aber die Bedingungen sind meist schlimm: In Ländern mit geringeren Umwelt- und Gesundheitsstandards oder schlechterer Kontrolle wird auf Deponien durchaus mal das Plastik abgefackelt, um an Rohstoffe zu gelangen. Internationale Vereinbarungen müssen das verhindern. Dieses Prinzip zeigt aber auch, dass die Materialien bei uns zu wenig Wert haben!
Diskussion: „Was passiert mit unserem Elektroschrott?“, mit Jens Gatena (Stadtreinigung), Hildegard Kamp (Umweltsbehörde) und Klaus Prietzel (BUND), 19 Uhr, Übersee-Museum, Bahnhofsplatz 13
Das heißt, eigentlich müsste man schon viel früher ansetzen?
Ja. Wir sind hier in der Pflicht, Geräte möglichst lange in der Nutzung zu halten, sodass von vornherein weniger Abfall entsteht.
Was nicht im Interesse der Industrie liegt …
Natürlich nicht. Die Ressourcenpolitik muss besser werden. Solange Rohstoffe so günstig sind wie jetzt, ist der Anreiz zum Sparen nicht gegeben. Wir brauchen die Internalisierung externer Kosten, das heißt, die Preise der Geräte müssen auch alle Umweltkosten widerspiegeln. Und es darf nicht als Regel billiger sein, neue Geräte zu kaufen, als zu reparieren.
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