heute in Bremen : „Jungs müssen kämpfen dürfen“
Kinder- und Familientherapeut Wolfgang Bergmann spricht über die Nöte der Jungs von heute
taz: Herr Bergmann, Ihr neues Buch heißt „Kleine Jungs – große Not“. Wie ging es Ihnen denn als Junge?
Wolfgang Bergmann: Ohne etwas zu idealisieren: Wir Jungs zogen früher durch den Wald und bildeten Banden, wir hatten unsere autonomen Freiheitsräume, wo die Eltern weit weg waren. Da entwickelte man ein Selbstbewusstsein, das eine Alternative zur Leistungs- und Gehorsamkeitskultur des Elternhauses und der Schule war. Als Torwart oder Kämpfer in der Schlucht.
Ist das heute anders?
Die Möglichkeiten haben Jungs heute nicht mehr so. Das ist auch ein Grund, warum sie in die Realität der Computerspiele fliehen. Aber damit kommen sie in der Alltagswelt, zu Hause und in der Schule nicht so gut an.
Was genau fehlt ihnen?
Jungs müssen Fußball spielen oder im Wald Banden bilden und kämpfen dürfen! So lernen sie etwas über die physische Seite von Konflikten, entwickeln Körpergefühl und Mitgefühl. Wenn sie das nicht tun, kann das später in hemmungsloser Aggressivität enden.
Hindert dabei die weibliche Umwelt, in der Kinder heute aufwachsen, über die Sie schreiben?
Eine weibliche, friedliche und harmonische Pädagogik vernachlässigt die körperliche Kraft der Jungs. Ein Fußball im Kindergartenfenster führt schnell zu klärenden Gesprächen im Stuhlkreis.
Wäre da eine Aufteilung der Jungs und Mädchen in Schulen besser?
Eigentlich finde ich das pingelig und hausbacken. Ich neige aber immer mehr dazu, zu sagen: Haltet die Jungen und Mädchen auseinander so lange sie nichts miteinander anfangen können. So etwa bis zum 13. Lebensjahr.
Ach ja…?!
Ich erlebe immer häufiger, dass das Ungestüme der Jungs den Mädchen auf die Nerven geht. Die Seite gibt es ja auch.
Und was können bemühte Eltern tun?
Lasst die Jungs männlich sein und stellt ihnen Männer zur Seite – am besten ihre Väter! Männlichkeit ist schließlich kein biologisches, sondern ein kulturelles Produkt.
FRAGEN: TERESA HAVLICEK
Auftakt der Themenreihe Kieselsteinabende, KiTa Technologiepark, 20 Uhr