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heute in Bremen„Kraft der Migration“

BUCHVORSTELLUNG Christian Jakob erklärt, wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern

Foto: Kathrin Windhorst
Christian Jakob

37, taz-Redakteur, früher in Bremen, heute weltweit für Reportage und Recherche unterwegs.

taz: Christian, vor genau einem Jahr erklärte Merkel: „Wir schaffen das“. Markiert dies einen wirklichen Richtungswechsel in der deutschen Migrationspolitik?

Christian Jakob: Ja, aber es ist ein ambivalentes Bild. Deutschland hat die Grenzen nicht von sich aufgemacht: Es war eine Reaktion, die von den Flüchtlignen erzwungen wurde, die nicht akzeptiert haben, dass ihnen der Weg verschlossen bleibt. Was danach passiert ist, geht in zwei Richtungen: Es entstand eine regelrechte Integrationsindustrie, mit Förderprogrammen und vielen guten Dingen, die aber nur für einen Teil der Flüchtlinge gedacht sind. Gleichzeitig kam es zu einer wahnsinnigen Verschärfung des Asylrechts. Für sehr viele Flüchtlinge ist es schlechter geworden.

In deinem neuen Buch zeichnest du die Veränderung nach, die Flüchtlingsbewegungen erreicht haben. Was ist davon gebleiben?

Der Sozialleistungssatz ist mit dem von Deutschen gleichgesetzt, es gibt eine Begrenzung des Arbeitsverbotes und die Residenzpflicht ist relativ stark eingeschränkt. Es sind Verbesserungen, die in den zwei Jahrzehnten davor erstritten wurden. Und auch den Schub an Willkommenskultur, die von der Zivilgesellschaft getragen wurde, hätte es ohne die lange und stabile Netzwerk-Bewegung nicht gegeben. Die ist von den Flüchtlingen ausgegangen.

Ist Deutschland auf dem Weg zur Einwanderungsgesellschaft?

Eine Einwanderungsgesellschaft war es die ganzen Jahre schon. Aber heute streitet es niemand mehr ab. Beim Bosnien-Krieg war noch die Haltung: Die Flüchtlinge sind da, aber nur so lange bis der Krieg vorbei ist. Es hat lange gedauert, bis diese Realitätsverleugnung aufgehört hat.

Ist es ein Problem, wenn mangels Einwanderungsgesetz die „Nützlichkeit“ als Kriterium mit den Asylgesetzen verquickt wird?

Ja. Andererseits hatten früher viele Leute Asylgründe, aber dennoch keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nicht für alle kommen die Kriterien eines Einwanderungsgesetzes in Frage. Umgekehrt haben wir einen Zustand, bei dem der europäische Arbeitsmarkt nach außen verschlossen ist und es eine versteckte Arbeitsmigraiton gibt. Ein geregelter Zugang wäre von Vorteil. Auch die CDU hält trotz des hohen Zuzugs an einem Einwanderungsgesetz fest. Es hat sich ein Pragmatismus durchgesetzt, der die normative Kraft der Migration nicht ignoriert. Man hat sich davon verabschiedet, dass Deutschland eine geschlossene Veranstaltung ist – keine Selbstverständlichkeit. Interview:jpb

20 Uhr, Sozialer Friedensdienst Bremen, Dammweg 18Christian Jakob: „Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern“, Chr. Links Verlag 2016

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