herzensort: Die britische Masche
Lesend sitze ich in der U-Bahn in Berlin. Eine junge Frau setzt sich neben mich und holt ihr Strickzeug hervor. Ich sehe, dass sie im „English Style“ strickt. Dabei muss sie mit einer Nadel in die Masche auf der anderen Nadel stechen, dann die Nadel loslassen, den Faden nehmen und um die Nadel legen, die Nadel wieder in die Hand nehmen und den Faden durch die Masche ziehen. Aus Sicht einer, die im „Continental Style“ strickt, ist das langwierig und wenig produktiv. Wir stechen mit der Nadel in die Masche ein und holen den Faden durch die Masche in einem Zug.
Strickende bekommen wohlwollende Aufmerksamkeit in der U-Bahn. Sie weiß es, ich weiß es, deshalb sage ich anerkennend: „You knit the English style.“ Sie nickt. Ihre Großmutter habe es ihr so gezeigt, aber sie wisse, hier stricke man „effektiver“. Sie habe sich Tutorials angeschaut und nicht verstanden, wie der Continental Style geht. „Ich kann es Ihnen zeigen“, sage ich. Und tue es. Erst die rechten Maschen (knit stitch), dann die linken Maschen (purl stitch). Dabei schrumpft der öffentliche Raum zusammen auf ein fast intimes Tête-à-Tête. Waltraud Schwab
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