herzensort: Schnäpse mit Madonna
Schon von Weitem lockt der verschnörkelte Schriftzug auf der Klapptafel: Coffee, Drinks and Cigarettes. Hinter den bodentiefen Fenstern sitzen Menschen auf 50er-Jahre-Sesseln an Nierentischen, während am mit schillernden Minifliesen beklebten Tresen gerade jemand im Muskelshirt einen Cocktail mixt.
Die Marietta ist eine der bekanntesten queeren Bars im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg und die perfekte Mischung aus gemütlich und sexy. Ihr Publikum ist bunt, am „Schwulen Mittwoch“ verwandelt sich der Gehweg in eine fröhlich vibrierende Menschenmasse. Ich habe dort schon Geburtstage gefeiert, mit der Crew Schnäpse getrunken und zu Madonna getanzt. Damit ist jetzt Schluss. Laut Inhaber wird der Mietvertrag nicht verlängert, stattdessen soll eine Restaurantkette einziehen, die 55 Euro pro Quadratmeter zahlt. Ein irre trauriger Höhepunkt des Wandels im Kiez: immer mehr Ketten, immer weniger Individualität.
Nähert man sich der Marietta von der anderen Seite aus, ist auf der Klapptafel zu lesen: A bar and a state of mind. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens Letzteres überlebt. Franziska Seyboldt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen