herzensort: Im Angesicht der Bandbrasse
Als ich ein Kind war, erzählte mir eine Freundin, dass sich mal ein Karpfen an ihrem Finger festgesaugt hätte. Sehr wahrscheinlich war das Quatsch, diese Freundin fantasierte viel. Bloß habe ich seitdem ein Problem mit Fischen. Im Strandurlaub führte das bisher dazu, dass ich mich nur zur akuten Abkühlung ins Wasser begab, Fortbewegung fand auf dem Rücken statt, mit der Sonne im Gesicht und nervösem Kribbeln im Bauch. Dass das Treiben in der Ungewissheit die falsche Strategie war, habe ich mit 30 nun endlich begriffen. Als ich kürzlich an der Küste Korfus aufs spiegelglatte Mittelmeer blickte, beschloss ich, meiner Angst im wahrsten Sinne des Wortes ins Antlitz zu blicken, und kaufte mir ein Schnorchel-Kit.
Stockend nahm ich die ersten Atemzüge unter Wasser und näherte mich vorsichtig einem Schwarm Bandbrassen, der mir nicht gelangweilter hätte ausweichen können. Ich tauchte weiter raus, zehn Meter unter mir der Meeresboden, es fühlte sich wie fliegen an. Ich wurde eins mit der Fauna und reiste mit Schwimmbrillen-Abdrücken auf der Wange zurück nach Hause. Sie waren mein schönstes Souvenir.
Leonie Gubela
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