herr tietz macht einen weiten einwurf: FRITZ TIETZ über Nürnbergs Präsidenten
A wie Amokläufer
Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.
Er habe daheim eine Pistole samt Waffenschein und würde einigen seiner Spieler am liebsten das Hirn auspusten. So outete sich, laut Nürnberger Abendzeitung, nach der 1:2-Niederlage seines 1. FC Nürnberg letztes Wochenende gegen Lübeck der Teppichhändler und Club-Präsident Michael A. Roth als potenzieller Serienmörder. Zugleich wurden so auch die Spekulationen über die Bedeutung des Mittelinitials A. in Roths Namen neu entfacht. Ging man bisher mehrheitlich davon aus, dass das A für „Affenarsch“ stehe, gehen nun die Mutmaßungen verstärkt auch in Richtung „Amokläufer“. Aber muss einer, auch wenn er mutmaßlich so heißt, automatisch gleich ein Amokläufer sein? Mitnichten. Die Techniken auch dieser Sportart müssen zunächst gründlich erlernt sein. Nur ständiges Training garantiert den Erfolg. Deshalb gilt für jeden, der mal so richtig ausrasten will: Prüfe dich aufrichtig, bevor du dich für die Disziplin Amoklauf entscheidest. Teste zuvor und anhand von sechs Punkten deine Eignung:
1. Bist du überhaupt ein potenzieller Amokläufer? Also ein bislang weitgehend unbescholtener Anhänger eines allenfalls zweitklassigen Fußballvereins mit Hang zur dritten Liga? Neigst du schon nach sechs sieglosen Spielen deines Vereins in Serie zum Jähzorn? Bist du Präsident des 1. FC Nürnberg?
2. Hast du ein redliches Motiv? Bedenke: Amokläufe zeichnen sich in der Regel durch große Sinnlosigkeit aus. Nicht mal sechzig aufeinander folgende Niederlagen deines Vereins dürften demnach ein Grund sein. Niemand darf verstehen, warum du meuchelst. Am wenigsten du selbst.
3. Wähle die rechte Tatzeit! Beachte: Mit einem Amoklauf an einem Spieltag erregtest du das meiste Aufsehen – das geringste übrigens an einem Dienstag in der Sommerpause. Plane also am besten für ein ausverkauftes Heimspiel. Nie jedoch vor dem Anpfiff zuschlagen. Falls nämlich deine Opfer, anders als vom Stadionsprecher angekündigt, gar nicht auflaufen und du selbst nur blutbesudelt auf der Tribüne hockst, könntest du auffliegen bevor deine Opfer in der Kabine verblutet sind. Schreite bzw. laufe aber auch nicht so spät zur Tat, dass die Medien keine Chance mehr haben, noch am Abend ausführlich zu berichten.
4. Wie steht’s um die körperliche Fitness? Glaube nicht, deine Opfer mal eben „mit links“ erledigen zu können. So ein Massaker gestaltet sich manchmal anstrengender, als man denkt. Vor allem: Schnell musst du sein. Unterschätze nicht das Fluchttempo deiner Opfer, Angst macht schließlich Beine. Den 100-Meter-Amoklauf solltest du deshalb in wenigstens 13 Sekunden bewältigen.
5. Benutzt du das richtige Gerät? Bei aller Effektivität einer Pistole, bedenke: sie macht einen gewissen Lärm, der möglicherweise die Gästemannschaft und die Schiris in den Kabinen nebenan ärgert. Aber Ärger, vor allem mit den Schiris, willst du ja wohl, erst recht vor Heimspielen, vermeiden. Bleiben eigentlich nur lautlosere Mordsgeräte – wie vielleicht das Teppichmesser, der Teppichkleber oder der Teppichklopfer. Falls es aber unbedingt die Pistole sein muss, vorher prüfen: Ist der Waffenschein noch gültig?
6. Der Selbstmord. Nicht selten fallen Amokläufer danach in ein seelisches Tief und vergessen, dass zu einem ordentlichen Amoklauf auch der Selbstmord gehört. Ja, so viel Schneid musst du schon aufbringen. Zumal es dir hinterher eine Menge Probleme erspart – denke nur an die lästigen Einladungen zu Kerner, Beckmann und die vielen Sportsendungen in den Dritten. Wage also den Amoklauf nur, wenn du gegen dich selbst ebenso beherzt Hand anzulegen bereit bist. Nicht dass am Ende ausgerechnet du deinen Amoklauf vergeigst und dann was sagen musst. Nämlich: „Dumm gelaufen!“
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