helden der neuzeit:
von JOACHIM SCHULZ
Früher war das Heldengewerbe dermaßen gesundheitsschädlich, dass es nicht selten zu einer frühzeitigen Übersiedlung ins Jenseits führte. An praktisch jeder Straßenkreuzung lauerten feuerspeiende Lindwürmer, die Gefallen daran hatten, vorüberziehende Königstöchter zu rösten. Indessen waren auch die professionellen Drachentöter nicht immun gegen die bronchialen Flammenwerfer ihrer Kombattanten, weshalb der zeitgenössische Postkutschenfahrer aus der Häufung von gegrillten Helden am Wegesrand unschwer schließen konnte, dass er in Bälde eine Kreuzung erreichen würde und sich vorsichtshalber schon mal den Asbestanzug überwerfen sollte.
Noch unerfreulicher allerdings war das Heldendasein, wenn man die griechische Staatsbürgerschaft besaß. Gegenüber der offenen Feldschlacht mit den stymphalischen Vögeln, dem Einfangen des dreiköpfigen Höllenhunds oder der Teilnahme am argonautischen Himmelfahrtskommando dürfte der Clinch mit überkandidelten Riesenreptilen ein reines Kinderspiel gewesen sein. Zwar konnten sich die hellenischen Heroen berechtigte Hoffnungen machen, nach dem Ende ihres irdischen Wirkens einen Ehrenplatz unter den Sternbildern zu bekommen. Besonders amüsant aber dürfte auch das auf Dauer nicht sein, denn wer hätte schon Lust dazu, Nacht für Nacht zur Erde hinunter zu funkeln und dabei zusehen zu müssen, wie weniger heldenmütig veranlagte Menschenwesen um die Häuser ziehen und sich einen launigen Abend machen?
Gut also, dass sich auch das Profil des Heldenberufs verändert hat. Längst haben die gemeingefährlichen Ungetüme der Vorzeit ihren finalen Wohnsitz auf der Liste der ausgerotteten Arten bezogen, und allenfalls verbohrte Tierfreunde beklagen gelegentlich, dass der Nemeische Löwe nicht mehr durch die städtischen Grünanlagen strolcht. Vernehmen wir Helden von heute trotzdem den Aufschrei einer zu Tode erschrockenen Königstochter, dann handelt es sich bei dem Monstrum, das sie bedroht, meistens nur um ein winziges Spinnlein, das wir mit heroischer Gebärde in den Garten hinaustragen können.
Im Regelfall jedoch haben unsere Dulcineas in 30 Jahren feministischer Kaderschulung gelernt, selber mit solchen Ungeheuern fertig zu werden, sodass wir Teufelskerle der Gegenwart uns ganz darauf konzentrieren können, in die wirklich wichtigen Schlachten unserer Zeit zu ziehen. Denn selbstverständlich gibt es noch immer Bedrohungen, bei deren Anblick unsere Prinzessinnen angsterfüllt mit den Zähnen klappern. Sie hören auf die Furcht erregenden Namen „Abwaschberg“ und „überquellender Schmutzwäschekorb“, und wenn es auch nicht die reine Wonne ist, sie alle paar Tage wieder mit beispielloser Kühnheit niederzukämpfen, so ernten wir damit doch stets die uneingeschränkte Bewunderung unserer Angebeteten, ohne jemals befürchten zu müssen, von unseren Gegnern in Sekundenbruchteilen kross gebraten zu werden. Außer natürlich, wir stellen uns bei der Backofenreinigung besonders dusselig an.
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