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Archiv-Artikel

harburger szene Mitten im Sturm

Minütliche, entnervte Ansagen am Hauptbahnhof: Schienenersatzverkehr mit Bussen ab Hammerbrook. Jeder hat ein Handy am Ohr: „Ich komme später, Blitzeinschlag.“ – „Kannst du mich abholen?“ Im Bahnhof Hammerbrook ist es wie in einem Flüchtlingstreck. Alles strömt zum Ausgang, es geht langsam voran. Feierabendverkehr, quengelnde Kinder. Weil nur alle 20 Minuten ein Bus kommt, stehen die Leute auf der Straße und rennen ihm entgegen. Einer wendet und fährt schnell wieder weg.

Jeder redet mit jedem. Endlich sitzend, haben sich zwei Frauen vom Fluchen aufs Lachen verlegt, weil alles so absurd ist. Gegenüber bekommt eine Mutter einen lahmen Arm, weil ihre kleine Tochter, komplett in rosa, darauf eingeschlafen ist.

Der Fahrer kennt den Weg nicht. Sie haben ihn von zu Hause geholt. Als der Bus durch einen Tunnel fährt, platscht das Wasser an den Busfenstern hoch. Wie in São Paulo zur Regenzeit. Stroboskophaftes Blaulicht in den Straßen von Harburg, Sirenen, Polizei, Feuerwehr. Es ist halb elf und flüchtig frage ich mich, weshalb noch Mitarbeiter von Kaufhäusern in der Notbeleuchtung zwischen den Kleiderständern stehen. Die Alarmanlagen gehen wohl nicht. Alles ist nass, es regnet ein bisschen, aber die Tropfen glänzen nicht. Das einzige Licht kommt von den wenigen Autos. Es ist unwirklich schön und vielleicht ein bisschen unheimlich. Eine Kneipenwirtin sitzt allein im Schaufenster, gehüllt in ein Wolltuch mit Kerze und Buch. Nebenan im Spielcasino nur zwei Männer. Mir kommt der Gedanke, dass man bei „Penny“ plündern gehen könnte. Die ganze Schokolade. ANNA-CHRISTINA NIEWELER

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