piwik no script img

Archiv-Artikel

harald fricke über Märkte Liebe auf internationalem Niveau

Seit Jahrzehnten führt Claudia Püschel-Knies erfolgreiche Einsame auf den Weg zum Glück

Am Wochenende sind wir uns wieder begegnet. Jedes Mal schaue ich sie verblüfft an und staune, wie gut sie sich gehalten hat über all die Jahre. Makellos stehen die Zähne zu einem zarten Lächeln aufgereiht, perlweiß sind sie wie ihr Collier, dazu das Haar leicht zur Seite gescheitelt und fein oberhalb der Schulter geschnitten. Stets passen ihre Ohrringe zum Kostüm; die kleinen, mit Brillanten besetzten Sticker unterstreichen die klassischen Züge ihrer Wangenknochen. Eine marktgängige Schönheit ist Claudia Püschel-Knies nicht, nur ungeheuer apart.

Es muss in den Achtzigerjahren gewesen sein, als ich sie zum ersten Mal sah. Vielleicht war es in der Zeit, vielleicht auch in der FAZ. Damals dachte ich noch schlecht über das Heiraten, und eine Frau wie Claudia stand ganz oben auf meiner Abschussliste, falls es etwas würde mit der Weltrevolution. Weil Püschel-Knies und ihre Partnervermittlung auf „internationalem Niveau“, wie es noch heute in ihren Anzeigen auf den „Ehewünsche-Partnerschaften“-Seiten der FAZ heißt, für mich nur die Spitze des Eisbergs waren – ein Beleg für die Entfremdung, in der die Menschen unter kapitalistischen Bedingungen zu leben haben.

Schlimmer kann es nicht um die Liebe bestellt sein, wenn man sich die Partner bei Püschel-Knies suchen muss, dachte ich in meinem jugendlichen Drang nach Freiheit und Selbstverwirklichung auch in körperlichen Dingen. Dagegen die oberen Zehntausend: Ständig im Kampf ums große Geld, und am Ende steht man alleine da, hat einen Maserati in der Garage und einen Labrador an der Leine, aber niemanden, der das schnelle Auto mit einem teilen möchte oder wenigstens mal mit dem luxuriösen Köter Gassi geht. Was soll ein erfolgreicher Unternehmer (Ende 50/176) mit dem Reetdachhaus auf Sylt, wenn dort im Urlaub nur die Putzfrau (Mitte 40/Polen) auf ihn wartet? Was nützt der jungen Firstlady in bestem Alter aus süddeutscher Topfamilie (spricht vier Sprachen perfekt) all ihre Anerkennung im Beruf (Vorstandssprecherin eines expandierenden Bekleidungskonzerns), wenn sie sich doch bloß nach etwas Zuneigung sehnt? Warum bei Chanel Abendroben kaufen, wenn der Mann (Ende 30/athletischer Typ) fehlt, der das Kleid (4.200 Euro) zum Opernball in Wien ausführt?

Peng, pardauz und stumme Tränen. Das ist der Moment, in dem das Glück des Reichtums in sich zusammenfällt wie ein hastig aus dem Ofen geholtes Käsesoufflé, so malte ich es mir in meiner Teenagerfantasie als Melodram von nahezu Rainer-Werner-Fassbinder’scher Dimension aus. Das ist der Knacks in der Immer-schon-oben-Biografie, auf den Frau Püschel-Knies mit ihrer Verkupplungsagentur wartet: Wer einsam ist, der zahlt für das Versprechen von Treue und Zärtlichkeit. Irgendwie sind schließlich selbst die kältesten Sklaventreiber ein bisschen gefühlsbetont, romantisch, sportlich und musisch mit dem Wunsch nach mehr. Auch unter verhärteten Verhältnissen gilt: Warum nicht Ansprüche auf ein Leben zu zweit geltend machen? Langjährige Erfahrung und absolute Diskretion erwarten Sie! Schon ist die Sache im Kasten, der Spaß kostet zwischen 10.000 und 25.000 Euro, dafür rotieren bei Püschel-Knies die Karteikästen der gehobenen Gesellschaft, bis die ideale Paarung ausgeknobelt ist: Herr von und zu mit Fräulein Schlagmichtot.

Die Wut auf Eheanbahnungsinstitute, auf Partnervermittlungen und Traumhochzeiten hat sich bei mir gelegt mit der Zeit. Wer immer mit derselben pennt, schimpft auch nicht aufs Establishment. Mittlerweile toben in meinem Bekanntenkreis glückliche Kinder von glücklichen Eltern, die das Glück zwar nicht bei Püschel-Knies, aber doch zumindest amtlich per Trauschein erworben haben.

Nur die Alleingelassenen toben immer seltener mit. Stattdessen schleichen sie im Internet umher, wo es derweil keinen Unterschied macht, ob du im Chatroom Banker (41/Nichtraucher), Bürogehilfin (24/Asiatin) oder Manfred Stolpe (67/SPD) bist. Das Drehbuch zu diesen traurigen Filmen, in denen es letztlich auch meist um Liebe in Zeiten der Entfremdung geht, stammt nun eben von Michel Houellebecq und nicht mehr aus der Münchner First-Class-Partnervermittlung mit ihren Anzeigen voller märchenhafter Gestalten, die da draußen auf einen warten, wenn die Bezahlung stimmt. Der Jungentyp (… ein Gewinner), der Jazzfestivals mag; die attraktive Vierzigerin mit ihrer Lust auf Events (Bayreuther Festspiele) – und über all diese unerfüllten Hoffnungen wacht das gewissenhafte Lächeln auf dem Gesicht von Claudia Püschel-Knies. Still, zeitlos und elegant. Sie bürgt mit ihrem guten Namen dafür, dass Liebe noch zu haben ist.

Fragen zur Liebe?kolumne@taz.de