harald fricke über Märkte: Nach der Geldwäsche hilft nur Entzug
Die neuen Euroscheine verbrauchen sich schneller als erwartet. Doch zwei Wege führen aus der Krise
Sie werden weniger und weniger, verflüchtigen sich, verschwinden. Dabei hat man sie vor acht Monaten erst mit großem Bohai und Trara unters Volk gebracht: 14 Milliarden Euroscheine für 300 Millionen Eurobürger. Da waren sie neu, toll, poppig anzusehen und vor allem: ein modern gestaltetes Symbol für das Zusammenwachsen der EU-Länder.
Doch die Front der D-Markisten weicht nicht. Die Euro-Banknoten, das hat Bild am Sonntag bei einer Expertenbefragung festgestellt, sind nicht so robust wie die alten DM-Scheine. Dafür gibt es Zahlen: 50 Millionen Euroscheine sind in den ersten acht Monaten seit der Währungseinführung aus dem Verkehr gezogen worden. Weil der fälschungssichere Silberstreifen ausgefranst war oder weil sie einen zu hohen Farbabrieb hatten, wie ein Mitarbeiter der HypoVereinsbank meinte. Außerdem sind die Scheine nicht waschmaschinenfest: Bei 90 Grad laufen sie ein, da werden die Zehner blass wie Falschgeld aus dem Kopiershop.
Nach der Geldwäsche hilft nur noch: Entzug. Die anfälligen Euros müssen schon nach dem dritten Bankenstopp in den Reißwolf. Weil jeder Schein den Steuerzahler zehn Cent kostet, liegt der Verlust, das hat die BamS gleich mit ausgerechnet, für dieses Jahr hierzulande bereits bei fünf Millionen Euro – dafür muss ein Abgeordneter eine Menge Bonusmeilen verfliegen.
Die Bundesbank hat sofort gestanden. Ja, Euros hätten einen Mangel: Die Scheine seien im Vergleich zur D-Mark größer und würden deshalb im Portemonnaie häufiger geknickt, besonders an der Oberkante, die wichtig für die Maschinenerkennung ist. Offenbar besitzt eine Vielzahl der Deutschen eine DM-Norm-Börse. Offenbar sind sie Gewohnheitstiere, die das neue Geld zur Not mit Gewalt für ihre Brieftaschen passend machen. Der Schein steht vier Millimeter über, das muss weg!, sagt sich der Sachbearbeiter für die Buchstaben I–K bei der Meldestelle Düsseldorf Nord und drischt auf die Oberkante seiner Euros ein, bis das Papier nachgibt.
Triumphierend geht er daraufhin an den nächsten DB-Fahrkartenautomaten und stellt mit noch wütenderer Miene fest, dass das Gerät den lädierten Geldschein nicht mehr lesen kann. Gerne würde er sich beschweren bei einer Aufsicht, die für den Automaten zuständig ist. Aber die Bahn hat rationalisiert, niemand fühlt sich für das Problem verantwortlich, und am Fahrkartenausgabeschalter am Hauptbahnhof Düsseldorf ist die Schlange schier endlos. Der Beamte denkt kurz nach, rechnet die Wartezeit hoch und beschließt, doch lieber zur nächsten Bankfiliale zu gehen, um dort den kaputten Schein gegen einen neuen einzutauschen – der dann wieder nicht in sein Portemonnaie passt.
Drei Wege führen aus dieser Krise. Der eine ist individueller Natur und mit einem gewissen Trennungsschmerz verbunden. Vergessen Sie Ihre alte Brieftasche, kaufen Sie sich einfach ein größeres Exemplar! Der zweite: Lernen Sie Ihr Geld auf andere Art und Weise zu falten – am besten nicht entlang der Oberkante. Machen Sie es wie die Japaner, die haben in Sachen Papierfalten eine ganz eigene Kultur entwickelt, die Origami heißt. Ihre Bekannten werden staunen, wenn Sie den ersten Euroschein so kunstvoll geknickt haben, dass das Ergebnis wie ein sich bei Vollmond umarmendes Liebespaar aussieht. Das wird Ihnen hohes Ansehen im Beruf verschaffen. Nur für die Automaten sollten Sie weiterhin ein paar Münzen in der Tasche haben.
Die dritte Möglichkeit ist nicht weniger mühsam. Gehen Sie auf die Barrikaden wegen der Automaten. Denn der eigentliche Skandal ist doch: Die Geräte können trotz intensivster Schulung immer noch nicht richtig lesen. Bei einem Automaten, der einen Zwanziger mit einem Fünfer verwechselt, liegt das Problem ganz offensichtlich in der Apparatur. Mit Euroarthritis und verfrühtem Papierzerfall hat es jedenfalls nichts zu tun, die Schwierigkeiten gab es ja schon zu D-Mark-Zeiten. Genau besehen hängt noch ein zweites Argument an der apparativen Leseschwäche. Wenn Sie im Supermarkt mit einem zerknüllten Zehner ihre Packung Limonenkekse bezahlen, wird keine Kassiererin Ihnen den Schein prompt vor die Füße schleudern, sondern das Geld höflich auseinander falten, vielleicht kurz indigniert zu Ihnen herübersehen und dann ohne viel Gewese den restlichen Wechselbetrag auf den Counter legen. Das nannte man früher Verkaufen, heute nennt man es Dienstleistung. In jedem Fall ist es Arbeit, die der Automat nicht so gut hinbekommt – egal welche Währung man in ihn hineinschiebt. Da wären doch noch jede Menge Jobs zu holen. Als Geldwechsler, die auf Bahnhöfen oder an Handykartenaufladestationen druckfrische, ungeknautschte Banknoten bereithalten, wenn es mal wieder mit dem Moneten-Transfer nicht klappt. Alles auf 325-Euro-Basis. Natürlich nur in neuen Scheinen.
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