hamburger szene von Petra Schellen: Selbstlos an der Kasse
Supermärkte sind oft Pöbel-Arenen. Bittet man denjenigen, der hinter einem drängelt, um Abstand, keift er, man habe wohl ein Problem und solle gefälligst zum Psychologen. Auch wer fragt, ob eine zweite Kasse geöffnet werden kann, ist schnell der Böse. Denn zwar wollen das alle anderen eigentlich auch. Aber wehe, man sagt als Erster was. Dann ist der Überbringer der Nachricht, wie im alten Griechenland, der Böse, dann kippt die Stimmung schnell zu Ungunsten des angeblich einzig Ungeduldigen. Lang und breit ergeht sich die Warteschlange, der die Kassierer bis dato piep-egal waren, plötzlich in Mitleid mit Überlastung derselben, obwohl das eigentlich gar nicht Thema war.
Angesichts solcher Erlebnisse ist man ganz gerührt, wenn jemand von selbst beiseite tritt, weil man ans Kühlregal will – oder wenn der Penny-Verkäufer freundlich die schwere Palette aus dem Lager zerrt, um der Kundin eine einzige Tüte Mehl zu geben.
Und es geht noch edler. Wenn man erst an der Kasse merkt, dass man nur noch drei Euro dabei hat für Käse und Brot, aber 3,50 braucht. „Was wollen Sie zurückgeben?“, fragt der Kassierer, hat er doch schon beides durchgeschoben. Und noch bevor ich etwas stottern kann, sagt er: „Die Dame vor ihnen hat es bezahlt. Sie hat Ihnen 50 Cent geschenkt.“
Ich will mich bedanken, aber die Dame ist schon weg; es muss ganz spontan und schnell gegangen sein. Und unspektakulär – und darin liegt die eigentliche Größe. Zwar gibt es den Spruch: „Tue Gutes und sprich darüber.“ Aber der gilt fürs Geschäftsleben, für die Welt von PR, Glamour, Eitelkeit.
Anonym und spontan zu helfen– das ist wesentlich schwerer, weil man sich nicht als Wohltäter profilieren, sich in der publikumswirksamen Dankbarkeit seines „Opfers“ sonnen kann. Gut, vielleicht hat in diesem Fall eine Rolle gespielt, dass ich nicht Luxus-Chips und -Schokolade kaufte, sondern ganz schlicht Brot und Käse. Trotzdem bleibt die großzügige Tat. Die nicht bedeutend ist, aber den Alltag freundlicher und leichter macht. Und das Beste daran: Sie ist nachhaltig, man erinnert sich lange. Und wird alsbald dasselbe tun.
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