hamburg heute : Späte Ehre
Das stachelige Selbstporträt Anita Rées kann man sich heute in der Kunsthalle erklären lassen
Wäre das Bild nicht recht abstrakt, man müsste sich um das Wohlbefinden der Porträtierten sorgen: Zwischen Stacheln rekelt sich die jüdische Künstlerin Anita Rée auf dem Selbstbildnis „Halbakt vor Feigenkaktus“, das Kurator Ulrich Luckhardt heute in der Kunsthalle erklärt.
Dass Blätter und Früchte dieser Pflanze in Mexiko zu den Hauptnahrungsmitteln zählen, tröstet nur wenig. Auch ob dies eine Anspielung auf die venezolanische Herkunft ihrer Mutter ist, bleibt ungewiss. Fest steht aber, dass die 1885 in Hamburg geborene Künstlerin Lehrjahre beim Hamburger Maler Arthus Siebelist, später in Paris bei Fernand Léger verbrachte. Es war die einzige Chance, sich künstlerisch auszubilden: Frauen durften um 1890 noch nicht an staatlichen Akademien studieren. Konsequent entwickelte sie ihren neosachlichen Stil, war 1919 Mitbegründerin der Hamburger Secession und gefragt wegen ihrer Porträts und Wandgemälde. Eins davon, „Orpheus und die Tiere“, ist heute in der Ballettschule des Hamburg Balletts zu sehen.
Später gefielen ihre Bilder nicht mehr; wegen „kultischer Bedenken“ wies man 1932 ihr für die Ansgarkirche gemaltes Altarbild ab. Vielleicht vorauseilender Gehorsam nazitreuer Kirchenoberer. Sie verkraftete es nicht. 1933 nahm sie sich auf Sylt das Leben. Gestern wurde dort ein „Stolperstein“ für sei verlegt. PS
Führung: 12 Uhr, Kunsthalle