grüne-jugend-chefin paula riester : Auf der grünen Leiter bis Rostock
Marschierte bis ans Osttor des Zauns: Paula Riester, Chefin der Junior-Grünen
So ein Gefühl wie am Samstag hatte sie noch nie, sagt Paula Riester. 50.000 Menschen erwarten ihre Rede, 200 Meter vor der Bühne sieht sie Rauch aufsteigen und Wasserwerfer vorfahren. Niemand hat sie informiert, was los ist. In ihrer Hand hält sie einen Zettel mit Stichwörtern. Hinter ihr liegt ein Jahr der Vorbereitung auf diesen Protest. Eigentlich ein Grund zur Aufregung.
Paula Riesters bislang größter Auftritt war vor 800 Menschen bei einem Parteitag der Grünen. Auch auf der Großdemo am vergangenen Samstag in Rostock spricht sie für die Grüne Jugend, deren Vorsitzende sie ist.
„Auf der Bühne war ich auf einmal nicht mehr aufgeregt“, sagt Riester. „Ich hatte das Gefühl, die Menschen nicht überzeugen zu müssen, nicht gegen sie, sondern als Sprachrohr für sie zu sprechen.“ Riester spricht ruhig, aber engagiert – besser als viele von denen, die mit Politik ihr Geld verdienen. Sie spricht von den gebrochenen Versprechen der G 8 bei der Entwicklungshilfe für Afrika, von der Klimarevolution und davon, wie die Bundesregierung den Patentschutz vorantreiben will und in Afrika die Menschen an Aids sterben. Sie sagt: „Patente auf lebensnotwendige Medikamente gehören endlich abgeschafft.“ Die Menschen vor der Bühne jubeln ihr zu.
Vor kurzem ist die Jurastudentin 23 geworden. Bei den Grünen ist sie seit fast fünf Jahren. Der Kontakt entstand 2002, als Paula Riester mit ein paar Freunden aus ihrer Abi-Klasse in Berlin-Schöneberg zu einer Kioto-Jugendkonferenz fuhr. „Da war auch jemand aus Berlin, von der Grünen Jugend“, erzählt sie. „Danach sind wir dort mal vorbeigegangen, das war mitten im Wahlkampf 2002, haben noch ein bisschen mitgeholfen und sind dann so dabeigeblieben“. Mit einer dreimonatigen „Politpause“ in Nepal klettert sie seitdem auf der grünen Leiter nach oben: Geschäftsführerin der Grünen Jugend Berlin, erst Beisitzerin, dann Sprecherin im Bundesvorstand der Grünen Jugend.
Die gesamte Protestwoche über wohnt Riester in ihrem Zelt auf dem Camp in Reddelich. Von dort ist sie am Mittwochmorgen über Felder und Bäche bis ans Osttor des Zauns marschiert. Zwölf Stunden hat sie dort gesessen, dann in Reddelich geschlafen und ist am nächsten Tag wiedergekommen. Wenn sie davon erzählt, wirkt sie zwar müde, aber glücklich. „Ich bin zwar schon seit fünf Jahren beim Castor dabei“, sagt sie. „Aber in solchen Massen und in solch guter Stimmung habe ich noch keine Blockade erlebt.“
Nach einem Jahr der Vorbereitung und einer Woche des Protests will Riester jetzt erst einmal durchschnaufen. Ob ihre politische Karriere sie auch einmal hinter den Zaun bringen könnte? Riester sagt: „Ich hoffe nicht.“ Sie weiß noch nicht, ob sie später Berufspolitikerin werden soll. „Wenn man erst einmal Regierungsverantwortung hat, kommt man irgendwann in diese Gewissenskonflikte.“ NIKOLAI FICHTNER KATHARINA KOUFEN