gottschalk sagt : Je linker, desto pluster
CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag
Die TeilnehmerInnenzahl von Demonstrationen zu schätzen ist ziemlich schwer. Normalerweise liegt man als Berichterstatter mit dem arithmetischen Mittel zwischen Veranstalter- und Polizeiangaben irgendwo in der Nähe der Wahrheit. Wahrheit bedeutet in diesem Fall: Die Version, für die man keinen Ärger kriegt. Wenn man ganz korrekt sein will, gibt man einfach beide Zahlen an und lässt den Leser entscheiden.
Die Motivation der Veranstalter, höhere Zahlen zu verbreiten, liegt auf der Hand. Man will ja ein bisschen mit dem Erfolg der Demonstration angeben und den Herrschenden mitteilen, dass sie in arge Schwierigkeiten kommen, wenn sie nicht bald nachgeben. Die Polizei dagegen gibt in etwa die Hälfte an, um auszudrücken, dass zu keiner Zeit die Gefahr einer gesellschaftlichen Veränderung bestand. Oder weil sie weiß, dass die anderen sowieso mehr sagen und dass das durch sie ausgeglichen werden muss.
In der taz vom 30.8. wundert sich ein Leserbriefschreiber, dass die taz-köln in ihrem Bericht über die Montagsdemo vom 23.8. die Angaben der Polizei unterschreitet. Während die Polizei von 1.100 bis 1.200 Leuten sprach, schrieb die taz 1.000. Die Veranstalter behaupteten 2.200. Das Bündnis gegen Sozialraub handelte nach dem Motto „wer mehr sagt, ist linkser als die anderen“ und sah 2.500 Menschen demonstrieren.
In diesem Bündnis sind aber auch viele Leute, deren Parteien immer recht haben. Mitgliedern der SAV droht, wenn sie geringere Zahlen verbreiten, das Parteiausschlussverfahren und die Verbannung in die Schnee-Eifel.
Wie aber kommt die taz auf nur 1.000? Ich kann es erklären: Die Kollegin hat nachgezählt. Dann hat sie die ermittelte Zahl auch noch in den Artikel rein geschrieben, obwohl sie unter den Polizeiangaben lag. Nun wird ihr vorgeworfen, sie wolle „die Bewegung klein zählen“. Na toll.
Dass der Kapitalismus mich belügt, weiß ich ja. Neulich habe ich sogar erfahren, dass es gar kein Mittel gibt, das im Bad ganz ohne Nachwischen für streifenfreie Sauberkeit sorgt, obwohl das im Fernsehen behauptet wurde.
Polizisten lügen auch, weil sie sonst zu oft wegen Körperverletzung verurteilt würden. Die Linken lügen, um sich ein wenig aufzuplustern. Je linker, desto pluster. Und mir geht‘s, ungelogen, ein bisschen auf den Sack.