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glosseWer attraktiv ist, wird eher gewählt. Aber was, wenn er oder sie den Mund aufmacht?

Uli Hannemann

ist freier Autor und Schrift­steller. Für die taz schreibt er regelmäßig Glossen und Kolumnen.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber: Ich fühle mit Alexander Gauland (AfD). Denn als ich in der achten Klasse war, kursierte unter meinen Mitschülerinnen eine Schönste-Jungen-Liste. Leider wurde das Ergebnis irgendwie geleakt: Ich war Vorletzter. Seitdem weiß ich, wie ein junges Leben von so etwas nachhaltig negativ beeinflusst werden kann. Es gibt mannigfaltige Symptome: „freier Autor“, autoaggressive Verhaltensweisen, AfD.

Mein Leidensgenosse Gauland belegte den letzten Platz in einer Untersuchung des Düsseldorfer „Attraktivitätsforschers“ Ulrich Rosar. Jeweils zwölf Frauen und Männern wurden die anonymisierten Fotos von 1.786 Politiker_innen zur Beurteilung ihrer Attraktivität vorgelegt. Dabei ging es um den Einfluss der Ergebnisse auf ihre Wahlchancen. Bei den bekannteren Nasen schnitten Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Christian Lindner (FDP) am besten ab.

Die Untersuchung hinkt. Oder bin ich etwa so ein sapiosexueller Freak, der das exklusiv empfindet: dass nämlich Leute, die zunächst ein paar gängige Attraktivitätsmuster erfüllen, in diesem Punkt sofort stark verlieren, sobald sie den Mund aufmachen? Wenn also eine unangenehme Stimme noch dazu unangenehme Worte transportiert, war es das dann schnell mit der Anziehung. Das Ohr sieht mit. Das Prinzip funktioniert natürlich auch umgekehrt: Eine erst als unscheinbar empfundene Person kann entsprechend deutlich an Glanz gewinnen.

Nein, ich denke, so ticken durchaus die meisten Menschen. Sollten also die Testpersonen Lindner und Wagenknecht nicht gekannt haben? Sonst hätten sie doch Roststimme, Bosheit und Dummschwatz beim Betrachten der Bilder gleich automatisch mitgedacht, mit der Konsequenz starker Abzüge in der A-Note. Doch laut Rosars Studie ist noch wichtiger als die Attraktivität der Bekanntheitsgrad. So schweben Sahra und Christian in einem ungewinnbaren Patt: Kennt man sie nicht, hält man sie für attraktiv. Wenn man sie aber kennt, weiß man, dass sie es nicht sind.

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