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Archiv-Artikel

gimmick-krieg um rebellische zeitungsleser von RALF SOTSCHECK

Früher hat man in England Zeitungen zum Einwickeln der Nationalspeise verwendet. Die fettigen Fish and Chips gingen dadurch eine köstliche Verbindung mit der Druckerschwärze ein. Das hat die Europäische Union längst verboten. Seitdem müssen die Zeitungsverlage andere Gründe finden, um der Kundschaft ihre Blätter schmackhaft zu machen.

Die meisten Sonntagszeitungen versuchen es mit kostenlosen DVDs. Meist werden Filme beigelegt, die ohnehin alle zwei Wochen im Fernsehen laufen. Der Guardian hatte sich etwas Neues einfallen lassen. Wochenlang lagen dem Blatt täglich Riesenposter mit britischen Rassen von Schweinen, Schafen, Kühen, Hühnern und Vögeln bei. Als man sämtliche Tierarten erledigt hatte, kamen Pflanzen, Bäume, Sträucher dran. Ob es tatsächlich Menschen gibt, die ihre Wohnung damit tapezieren?

Die Konkurrenz vom Independent hält das offenbar für möglich und kopierte die Idee. Wer das Blatt kauft, bekommt Plakate von Sonne, Mond und Sternen dazu. So kam der Guardian auf eine andere Idee. Seit zwei Wochen wickeln sie die Zeitung täglich in einen Bogen Designer-Weihnachtsgeschenkpapier. Man dann das Blatt also gleich weiterverschenken.

Der Daily Telegraph – oder auch „Torygraph“, wie er gern gehänselt wird – macht bei diesem Firlefanz nicht mit. Stattdessen hat das Blatt einen „Nein-Club“ ins Leben gerufen. „Heute gründet der Telegraph, inspiriert von seinen Lesern, einen neuen Club für Menschen, die wie Marx aus der Menge herausragen wollen und sich gegen vorherrschende Trends und Moden stellen“, hieß es. Es versteht sich, dass das rechte Blatt nicht Karl, sondern Groucho Marx meinte.

Auf der Internetseite kann man sich eine Vereinsurkunde ausdrucken, wenn man zum Beispiel keinen iPod hat, kein Trüffelöl über seinen Carpaccio sprenkelt, noch nie eine Cola getrunken oder die Beatles gemocht hat. Der Telegraph wurde von Mitgliedsanträgen überflutet. Ob das alles grantige Greise seien, fragte sich der „Torygraph“ und gab gleich selbst die Antwort: „Großbritannien ist immer noch eine Nation von Rebellen, die ihren eigenen Kopf haben.“

Frau Brightman zum Beispiel. Sie hat eine multiple Mitgliedschaft beantragt, da sie noch nie Jeans getragen, Drogen genommen, einen Hamburger gegessen oder Labour gewählt hat. Letzteres dürfte sie mit den anderen Lesern gemein haben. Der 76-jährige Peter Rose war nie ein Teenager, weil von denen alles Unheil der Gesellschaft ausgehe. Eine Julia Wooton hat sich noch nie die Beine rasiert. Eddie Redfern, 68, hat niemals ein Buch gelesen, seit er von der Schule flog, und will in seinem Leben auch keins mehr lesen. Herr Brooke ist 61 und hat in seiner langjährigen Ehe noch nie gekocht. Thomas hat nie organisches Gemüse gegessen, Kay Russell niemals etwas politisch Korrektes getan. Und ein David hat „dieser Bande totalitärer Kommunisten, die sich als New Labour ausgeben, noch nie irgendetwas geglaubt“.

Das ist also die Nation von Rebellen. Ich bin dem Club auch beigetreten und habe meine Urkunde erhalten. Ich gehöre jetzt der Vereinigung von Menschen an, die noch nie einen Telegraph gekauft haben. Nicht mal zum Einwickeln von Fish and Chips.