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gilet jauneAlina Schwermer Die Tricks der Fifa und das Leiden des Herrn Papa

Der Stadionsprecher brüllt die Zuschauerzahl ins Rund: 48.000! Wir gucken uns auf der Tribüne an. Das Stadion in Lyon ist halb leer. Es sieht sogar furchtbar leer aus, vielleicht sind, wohlwollend geschätzt, 25.000 beim Halbfinale Niederlande gegen Schweden. Fifa und Ticketing, es ist seit WM-Beginn ein Desaster. Kartenverkauf gibt’s vor Ort nur vor Spielbeginn am Stadion, und die zu großen Arenen sind oft bedenklich spärlich besetzt. Beziehungsweise: die Fifa hat sie halt nicht voll bekommen, trotz großmäuliger Ankündigungen. Dafür gibt es abenteuerliche Angaben verkaufter Tickets. Kann ja niemand überprüfen; die Fifa hätte 48.000 verkauft haben können, bloß entschied sich die Hälfte der Leute, nicht aufzutauchen. Das hört man oft. Mit all den Ticketinhabern, die nicht auftauchten, könnte man glatt eine neue WM ausspielen. Die Abtauch-WM.

„Ihr könnt noch Tickets für ein paar Spiele bekommen“, postete der Weltverband vorm Turnier. Das erweckte die Illusion, das meiste sei ausverkauft. Dann musste Infantino zu­geben, dass nur 20 von 52 Spielen ausverkauft seien. Auch das stimmte nicht. Es waren nur 14. Dann stellte sich heraus, dass der Weltverbrecherverband schon wieder gelogen hatte: Nur die französischen Spiele, das Halbfinale und das Finale waren jetzt offiziell ausverkauft. Ganze 8 Spiele. Bloß war leider nicht mal das richtig. 59.000 fasst die Arena in Lyon; die offiziellen Zuschauerzahlen lagen bei 48.000 und 53.000. Große Lücken waren durchs ganze Stadion verstreut, und falls die Fifa sich nicht entschieden hat, Platz 25 in den Verkauf zu geben, Platz 26 aber nicht, ist „ausverkauft“ ein Märchen. Man könnte also zu dem Schluss kommen, dass der Verband lügt, um einen Verkaufsrekord behaupten zu können. Aber wer, der die Fifa kennt, würde das denken?

Mein Vater wollte mich in Lyon besuchen kommen und sich ein Ticket fürs Halbfinale holen. Ging nicht, sagt er, die Seite vermeldete: keine Tickets mehr. Wir haben hin und her überlegt, ob er auf Risiko kommen soll. Aber für einen blöden Moment vertraute ich den Angaben der Fifa. „Die Halbfinals sind ausverkauft“, sagte ich, „du findest höchstens vor dem Stadion jemanden, der dir ein Ticket verkauft.“ Nur auf gut Glück nach Lyon reisen wollte er nicht. Vor Ort sah ich das halb leere Stadion. Wen will die Fifa verarschen? Ein Kollege fragte nach, nicht im Wortlaut, nehme ich an. Die Fifa teilte mit, es gebe alle möglichen Gründe, dass Menschen nicht auftauchen: schlechtes Wetter, Reisebedingungen. Vor allem am Wetter wird’s gelegen haben. Und an den Strapazen im Lyoner Nahverkehr. Das Finale ist dann wirklich ausverkauft. Also bestimmt.

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