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Archiv-Artikel

gewalt an schulen Es wird zu viel weggeguckt

Auch wenn sich die Berichte über Brutalitäten an Schulen gerade häufen: Nein, es schwappt derzeit keine Gewaltwelle über unsere Schulhöfe. Leider, muss man diesem Satz beinahe anfügen – denn eine gute Nachricht ist das nicht. Sie bedeutet nämlich nichts weiter, als dass die Anzahl der Fälle, die derzeit die Öffentlichkeit beschäftigen, Normalität ist – ganz einfach Alltag.

KOMMENTAR VON ALKE WIERTH

Mehr als 1.500 Gewaltvorfälle meldeten Schulen im vergangenen Schuljahr. Das sind – Wochenenden und Ferientage abgezogen– ungefähr acht pro Tag. Nicht immer fließt dabei Blut. Statistisch erfasst werden auch Beleidigungen, Mobbing oder Sachbeschädigung.

Einmal im Jahr führt diese Statistik zum öffentlichen Aufschrei – ebenso wie die Berichte jetzt. Konsequenzen werden gefordert: Die einen wollen mehr Sozialarbeiter an den Schulen, die anderen böse Schüler am besten gleich ganz wegsperren. Der Bildungssenator gerät unter Druck und beginnt, über die bessere Überwachung von Schulgebäuden nachzudenken.

Merkwürdig, wie wenig Aufmerksamkeit dabei den Gründen für die Entwicklung geschenkt wird. Wie kann es sein, dass ein Schüler einer Grundschule offenbar mehrmals von anderen verprügelt wird, ohne dass ein Lehrer das bemerkt? Wie kann es sein, dass Zehn- und Elfjährige ausführliche Kenntnis von Gewaltvideos auf YouTube haben, ohne dass sich jemand dieser merkwürdigen Freizeitgestaltung in den Weg stellt? Und selbst am renommierten Goethe-Gymnasium haben Lehrer offenbar nicht bemerkt, was sich unter ihren Schülern abspielt.

Wer Gewalt an Schulen abschaffen will, muss dafür die Voraussetzungen schaffen. Dazu gehört, dass Lehrer Zeit und Geduld haben, sich mit ihren Schülern und deren Lebensumständen, selbst mit deren Eltern zu befassen. Ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben, mag plausibel klingen – aber es nützt nichts.