gesunde Luft : Der Schwebstaub trübt die Sicht
Das ist eine der Wahrheiten unserer modernen Mediengesellschaft: Hysterie ist ein vorzüglicher Antrieb, um Dinge zu bewegen. Zum Beispiel beim Dieselruß. Erst seitdem deutsche Großstädte den neuen Grenzwert der EU überschritten haben, interessiert sich die Welt für die Schwebteilchen. Doch die sind so alltäglich wie das Atmen: Zehn Kubikmeter Luft pumpt der Mensch binnen eines Tages durch die Lunge, allein pro Kubikdezimeter wirbeln millionenfach Staubpartikel. Das war zwar schon immer so. Plötzlich aber ist das kreuzgefährlich – dank der Mediengesellschaft.
Dass dabei nicht alles stimmt, was via Medien Hysterie schürt, ist da nebensächlich. Nein: Die Belastung mit Schwebteilchen hat in den letzten 20 Jahren nicht zu-, sondern abgenommen. Nein: Autofreie Städte wird es nicht geben – lediglich filterlosen Dieselautos droht der Zwangsparkplatz. Nein: Die karzinome Wirkung des Feinstaubs ist noch nicht hinlänglich nachgewiesen – auch wenn sie wahrscheinlich ist. Und nein: Leben ist heute nicht gefährlicher. Im Gegenteil, unsere Umwelt ist sauberer geworden; wir leben gesünder.
Todeszahlen, Fahrverbote, Staub als unsichtbarer Killer – Hysterien brauchen solchen Stoff. Industrie und Politik sind daran schuld, dass deutsche Städte die strengeren Grenzwerte überschreiten. Die Autobauer haben sich geweigert, in die Filtertechnik einzusteigen, die Politik hat es vermieden, sie dazu zu zwingen. Jetzt wird der Chor der Massen, der dummerweise immer erst dann einsetzt, wenn Hysterie grassiert, beide zum Handeln zwingen. Obwohl man dieser Hysterie also etwas Gutes abgewinnen kann: Wichtig ist, dass uns die Wissenschaft jetzt hilft. Umweltexperten, die zum Kauf spezieller Feinstaubsauger aufrufen, sollten ebenso ihre Klappe halten wie Max-Planck-Forscher, die behaupten, Feinstaub existiere gar nicht. Wenn sich nämlich die Diskussion um Wirkung und Gefahren nicht versachlicht, wird beim Chor der Massen bald der Eindruck entstehen: Dagegen kann man doch nichts tun. Niemand engagiert sich aber, wenn etwas unveränderbar ist. NICK REIMER