gerster-roulette : Überall Gewinner
Also, nur mal so angenommen, Florian Gerster müsste an diesem Wochenende zurücktreten. Wer hätte gewonnen, wer verloren, wenn der Chef der Bundesagentur für Arbeit ausgetauscht würde? Dies ist die entscheidende Frage für die Mitspieler im großen Politikroulette. Und soweit sich überblicken lässt, würde es nur Gewinner geben – außer vielleicht Gerster. Derart risikolos ist das Leben selten. Genau deswegen macht das Spiel auch so viel Spaß.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Kanzler Schröder zum Beispiel hat viel Erfahrung damit, Personal auszutauschen, wenn es kritisch wird. Stets weiß er sich als Mann der Tat zu profilieren, der in letzter Sekunde zur Rettung eilt. So kann er aus objektiven Krisen subjektive Chancen für sich selbst machen. Und eine Krise zeichnet sich durchaus ab auf dem Arbeitsmarkt: Obwohl die Bundesagentur nun umgebaut wird, steigen die Arbeitslosenzahlen faktisch weiter. Also muss neue Hoffnung her – und nichts wirkt da so schnell wie ein neuer Hoffnungsträger.
Wer immer dieser Nachfolger wäre: Er würde definitiv zu den Gewinnern gehören, ihm ginge es gut in der Bundesagentur. Denn auch der letzte Intrigant könnte sich ausrechnen, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, dass der Agenturchef ein zweites Mal ausgetauscht würde. So viel Wechsel könnte sich selbst Schröder nicht leisten. Zudem sind die größten Reformschritte in der Behörde bereits vollbracht; neuer interner Widerstand wäre gar nicht zu erwarten. Der Neue könnte ganz gelassen verwalten.
Der BA-Verwaltungsrat wiederum könnte sein Lieblingsprojekt verfolgen, sich mehr Kompetenzen anzueignen. Argument: Der dramatische Wechsel an der BA-Spitze hätte ja gezeigt, wie wichtig noch mehr Kontrolle sei. Die Opposition schließlich könnte sich freuen, dass sie einen weiteren Skalp erbeuten konnte.
Bliebe als Verlierer also Gerster – und selbst er ließ schon durchblicken, wie er sich zum Gewinner machen könnte. Bisher sei er immer erfolgreich gewesen, ob als Abgeordneter oder Landesminister. Daher müsse es klarerweise an der BA liegen, wenn er jetzt scheitere.
Was aber, wenn alles ganz anders kommt und Gerster im Amt bleibt? Dann könnten sich alle auf die Schulter klopfen – Regierung, Verwaltungsrat, Opposition, Innenrevision –, wie ungeheuer wachsame Kontrolleure sie doch waren, und sich zum eigenen Krisenmanagement beglückwünschen. So macht Politik rundum Spaß.