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Archiv-Artikel

gastkommentar: zulassung zum abitur Gymnasium wird unvergleichlich gut

Die Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I wird die Hierarchie der Schulformen vertiefen. Die bildungspolitische Anerkennung der Gleichwertigkeit von Gymnasium und Gesamtschule ist den GegnerInnen der Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen von jeher ein Dorn im Auge. Was diese in langen ideologischen Auseinandersetzungen aus eigener Kraft nicht erreichen konnten, will ihnen jetzt das SPD-Schulministerium in einer Verordnung schriftlich geben: Die Leistungen an Gesamtschulen und Gymnasien sind grundsätzlich nicht gleichwertig.

Es wäre allerdings mehr als nur bitterste Ironie, wenn bald unter Rot-Grün gelten soll, dass ein „gut“ in der Gesamtschule einem „ausreichend“ im Gymnasium entspricht und damit unterschiedliche Leistungsanforderungen für den Eintritt in die gymnasiale Oberstufe begründet werden. Möglich ist dies alles nur, weil die VerfasserInnen der neuen Verordnung im Schulministerium identisch sind mit denen, die schon unter der Ex-NRW-Schulministerin Gabriele Behler den Gesamtschulen den Makel anhängen wollten, das „Abi light“ zu vergeben. Aus Sicht des Behlerschen Küchenkabinetts ergaben die Abiturüberprüfungen jedoch keinerlei Anhaltspunkte für die Unterstellung. Die Ministerin musste offiziell feststellen, dass vergleichbare Leistungskriterien für die Bewertung von Abituraufgaben an beiden Systemen angewandt werden.

Die Konsequenzen sind fatal: Die geplante Verordnung schafft neue Zugangsbarrieren zur gymnasialen Oberstufe und benachteiligt Schülerinnen und Schüler außerhalb des Gymnasiums. Damit wird die zu geringe derzeitige Abiturientenquote nicht einmal gehalten werden können. Von einer notwendigen Steigerung der Abschlüsse mit Hochschulzugangsberechtigung sind wir weiter entfernt denn je. Während das Schulministerium mit der Einführung von Lernstandserhebungen und zentralen Abschlussprüfungen den Eindruck einer gleichwertigen Zuerkennung der „Mittleren Reife“ bei entsprechenden Leistungsergebnissen an allen Schulformen des Landes erweckt, arbeitet die neue Verordnung an der Aufwertung des Gymnasiums und einer Abqualifizierung der anderen Schulformen. Statt an der Angleichung der Bildungschancen mit aller Vehemenz zu arbeiten, vertieft das Ministerium nach dem Konstruktionsplan des überholten selektiven Strukturmodells die Unterschiede zwischen den Schulformen und verstärkt die Ungleichheit.

Die Gewerkschaften des DGB, besonders die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, sowie die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und die Schulleitungsvereinigung der Gesamtschulen haben ihren Widerstand angemeldet. Es ist allerhöchste Zeit, dass vor der Verabschiedung der Verordnung im Schulausschuss des Landtags die rot-grünen BildungspolitikerInnen dem SPD-geführten Ministerium auch um den Preis öffentlichen Streits in den Arm fallen.

BRIGITTE SCHUMANN

freie Bildungsjournalistin