fürbitte : Wie Jürgen zu Jesus wurde
Fällt dann doch schwer, in Jürgen Rüttgers den wiedergeborenen Jesus Christus zu erkennen. Rüttgers, der Mann mit dem scharfen „S“, ein neuer Heiland? Naja, zumindest könnte man das raushören aus den Worten, die Düsseldorfs Stadtdechant Rolf Steinhäuser am Samstag vor der Eröffnung des CDU-Sonderparteitages in Düsseldorf sagte. Zur Morgenandacht trat der Geistliche vor die Christdemokraten und hob an, die anstehende Kabinettsbildung mit dem Buhlen der Jünger um den besten Platz an Jesus Seite zu vergleichen. Wie Jesus damals werde auch Rüttgers hören: „Jürgen, wenn du am Mittwoch zum Ministerpräsidenten gewählt bist, dann lass mich rechts und links von dir am Kabinettstisch sitzen.“
Das ist ein Satz wie in Stein gemeißelt, wo wir allerdings bei Moses wären, und da wollen wir ja gar nicht hin. Außerdem: Haben die Jünger zu Jesus insgeheim Jürgen gesagt? Sonderbar. Aber egal. Interessanter wäre es zu wissen, was in den 672 Delegierten vorging, als sie Steinhäusers Worten andächtig lauschten. Aber, ach, wie immer sind an dieser Stelle Lücken in der Überlieferung. Als sicher dürfen wir bisher nur annehmen, dass die Geschichte dieses Landes umgeschrieben werden muss. Schröders Kampf gegen die CDU ist nun ein Kampf gegen Gott. In NRW regiert Jesus und bald, wenn der Himmel es zulässt, wird der fromme Ede aus Bayern Superminister im Kabinett der Heiligen Maria Merkel. Statt zu Debatten trifft sich die neue Regierung künftig zum Abendmahl im Borchardts am Berliner Gendarmenmarkt. Und Hartz IV-Verschuldete können, sobald Rüttgers die Arme zum Segen ausbreitet, wieder richtig teuer einkaufen. Das Wort Wirtschafts-Wunder erhält da gleich eine ganz andere Bedeutung. Brüder und Schwestern: Es geht bergauf mit diesem Land. Heilige Maria Merkel, bitt‘ für uns.
Würden wir intellektuell am Limit segeln, müssten wir jetzt titeln: „Wir sind Jesus!“ Machen wir aber nicht. Lieber treiben wir Spekulationen voran, das hinter dem Jesus-Vergleich ein anderer Mann aus Bayern steckt: Papst Benedikt XVI. formerly known as Joseph Ratzinger. Kaum ist Ratze im Vatikan eingezogen, nutzt er seinen Draht zu Gott, um in Deutschland Politik zu machen. Mit Verlaub, der Papst dreht momentan sowieso ein wenig am Rad. Zum traditionellen Angelus-Gebet durften gestern auch rund 20 Ferraris auf den sonst autofreien Petersplatz rollen. Ratze zu Ehren ließen sie die Motoren schreien. Und Papst Bene rief: „Wir können die Wagen nicht nur sehen, sondern auch hören.“ Alles klar? Alles klar. Zurück nach Deutschland.
Jürgen Rüttgers wird der Vergleich mit Jesus gefallen haben. Ganz bestimmt. Vielleicht erzählt er bald bei Friedman davon. Und nachher war wieder alles anders gemeint. Seine Apostel haben es sich unterdessen schon mal im Jünger-Dasein gemütlich gemacht. Christa Thoben zum Beispiel scherzte, sie wisse noch nicht, ob sie einen Platz rechts oder links von Jürgen Rüttgers bekomme. Also, Frau Thoben, Sie sollen doch Wirtschaftsministerin werden. Sie sitzen also rechts. Und immer schön dran denken, was der Stadtdechant noch gesagt hat: „Es geht um eine Dienst-Elite, nicht um Pfründe und Statussymbole.“ Dienst-Elite. Tolles Wort. BORIS R. ROSENKRANZ