freiwilliger betrug: Die Twilight-Zone
Gibt es eine zweite Wirklichkeit? Erlebnisse und Erscheinungen, die einer rationalen Erklärung nicht zugänglich sind? Wie zeigen sie sich? Was bedeuten sie? Das sind die Fragen, die der Wiener Publizist Adolf Holl einer bunten Schar von Autoren stellte. Physiker, Biologen, Philosophen, Theologen, Publizisten: allesamt Experten auf ihrem Gebiet.
Ihre Anworten sind in dem Buch „Übersinnliche Wahrnehmungen“ nachzulesen. Poltergeister, Marienerscheinungen, New Age, schwebende Tische, die Kontaktaufnahme mit Verstorbenen im Jenseits: fast die ganze Welt der Twilight-Zone wird offenbart. Ungläubige, Gläubige und Zweifler berichten zum Teil aus ganz persönlicher Sicht über ihre Begegnungen mit dem Unerklärlichen.
Der Österreicher Josef Dvorak gibt einen Einblick in die Geschichte der Satanshuldigungen und der Sexualmagie. Als Mitbegründer und Mentor des frühen Wiener Aktionismus war Dvorak 1964 selbst in Satanismusverdacht geraten. Ein Buch eines Priesters und Jung-Schülers hatte das Aufsehen erregende Theater der Wiener Aktionisten, bei dem viel Tierblut auf der Bühne floss, als „durch und durch satanisch interpretiert“.
Konkurrenten oder Entlarver werden auch noch heute als Feinde des wahren Glaubens betrachtet, berichtet der Anthropologe, Philosoph, und Mönch Agehananda Bharati. Bharati, zum Hinduismus übergetretener gebürtiger Wiener, schildert, wie Sathya Sai Baba, „der berühmte und mächtigste Meister des religiösen ‚Power-Trip‘ im heutigen Indien“, einen Zauberkünstler gewaltsam entfernen ließ. Er hatte den Heiligen als Trickbetrüger entlarvt. Häufig wollten, so Bharati, die Gefolgsleute eines Meisters aber gar nicht wissen, dass sie mit plumpen Taschenspielertricks reingelegt werden: „Mundus vult decipi“ – die Welt will betrogen sein. Wer hofft, Handlungsanweisungen für den Umgang mit dem Unerklärlichen und Übersinnlichen geliefert zu bekommen, wird enttäuscht. „Religiöse Aussagen sind nicht falsifizierbar“, sagt Bharati, „man kann sie nur akzeptieren oder ablehnen.“
Herausgeber Holl hat am eigenen Leib die Macht seiner Kirche erfahren. Der radikale Christ Holl („Jesus muss der Unruhestifter unserer Gesellschaft bleiben“), katholischer Theologe und Philosoph, 1954 zum Priester geweiht, später Kaplan und Dozent in Wien, wurde wegen seines Nonkonformismus Anfang der 70er-Jahre all seiner Ämter enthoben. Zu Zeiten der Inquisition wäre er wohl auch noch auf dem Scheiterhaufen gelandet.
W. LÖHR
Adolf Holl (Hrsg.): „Übersinnliche Wahrnehmungen – Esoterik, Parapsychologie, Okkultismus, Grenzerfahrungen, Magie, Wunder“. Naumann & Göbel, 1997, Köln, 252 Seiten, 19,80 DM
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