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fransiges feng shui von FANNY MÜLLER

Wer was auf sich hält, richtet seine Wohnung jetzt nach den Prinzipien von Feng Shui ein. Das erfuhr ich letzte Woche, als ich Birgitta in ihrem neuen Heim aufsuchte, nachdem ich mit einer, wie sie meint, fadenscheinigen Ausrede nicht beim Umzug mitgeholfen hatte – ich war im Urlaub.

Bisher hatte ich Feng Shui unter asiatische Kampfsportarten eingereiht wie Tai Chi, Qi Gong oder Yin und Yang, welche man im Zusammenhang mit dem Verzehr von ungeschältem Reis und ähnlich leckeren Sachen betreibt. Und dabei stundenlang seine Gliedmaßen zeitlupenartig bewegt, vorzugsweise in öffentlichen Parkanlagen. Wo Kinder dann immer fragen: „Was macht der Mann da – hat der ein Aua?“

„Feng Shui“, erläutert Birgitta, „heißt ‚Wind und Wasser‘ und bedeutet, dass alles, was uns umgibt, fließende Energie ist.“ – „Okay, okay, und was ist mit den Holzflöten im Flur?“ Die Flöten, erfahre ich, sollen das schneidende Chi, das durch Ecken und Kanten der Türen, Möbel und Wände hervorgerufen wird und böseböse ist, ablenken und verteilen. „Du meine Güte – und was ist Chi?“ Ich dachte es mir schon: die unsichtbare Lebensenergie. Die am besten in runden Häusern fließt, aber da kann man in Hamburg lange suchen, seufzt Birgitta. Das stimmt. Die einzigen runden Häuser hier sind die französischen Pissoirs, die während des Weinfestes auf dem Rathausmarkt aufgestellt wurden. Dass es da ordentlich floss, ist allerdings wahr.

Birgitta sitzt inmitten einer wüsten Unordnung an ihrem Schreibtisch und hantiert mit Kugelschreiber, Lineal und Millimeterpapier. Sie zeichnet ein Bagua. Ach so, alles klar – und was ist das? „Ich muss mich konzentrieren – da!“ Sie reicht mir ein Buch „Die Balance des Lebens finden – Feng Shui“. Bei einer Tasse grünen Tees schlage ich das Buch auf. Bagua ist ein Strukturgitter, in das man den Grundriss der Wohnung einzeichnet und in neun Bereiche einteilt. Ruhm, Reichtum, Karriere usw. „Und in welchem Bereich sitzen wir jetzt?“ – „Hilfreiche Freunde“ – „Sieht aber scheiße aus, hier.“ – „Das wird noch.“ Im Buch lese ich, dass eine Familie G. unter Nachbarn zu leiden hatte, diese aber zu hilfreichen Freunden wurden, als Familie G. ihre Helferecke richtig aufgeräumt hatte. Das leuchtet unmittelbar ein.

Ich blättere schnell weiter zum Bereich Partnerschaft, aber da gibt es leider kein Fallbeispiel à la „Kaum hatte Frau M. das Bett um wenige Zentimeter verrückt, da hörte Herr M. mit dem Saufen auf“. Ich wandere in die Küche, um nach der Kaffeemaschine zu suchen. „Hör mal, hier sieht’s ja aus wie bei meiner Mutter!“ Birgitta hat alle Borde mit kleinen Spitzen- und Fransenborten verziert, die wie die Flöten das schneidende Chi abhalten sollen. Übrigens ist nächste Woche die Reinigungszeremonie, da wird von den Vormietern übrig gebliebenes schlechtes Chi ausgetrieben. Mit Kerzen, Glocken, Bachblüten und Händeklatschen. Ach du liebe Zeit. „Nächste Woche kann ich nicht, ich nehme Urlaub.“ – „Ha! Du warst doch gerade!“ – „Da habe ich in einem viereckigen Haus gewohnt. Zu viel negative Energien. Jetzt buche ich einen Iglu.“

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