festivalnotizen iii : Elite unter sich
In zwei Teile zerfiel beim Schleswig-Holstein-Musikfestival das Hamburger Viktor-Ullmann-Porträtkonzert. Der Prager Komponist war in Theresienstadt wesentlicher Teil eines lagerinternen Kulturlebens, was der Referent des Abends zum Anlass nahm, Wochenschauen der Kriegszeit und einen Propagandafilm über Theresienstadt kritisch zu beleuchten. Leider verlor er kein Wort über die Kompositionen, die von Rezitator Udo Samel, Sopranistin Simone Nold und Pianist Burkhard Kehring sehr eindrucksvoll interpretiert wurden.
Ebenfalls in Hamburg: das Agon-Orchester. Die Musiker des früher im Untergrund wirkenden Prager Ensembles stammen allesamt aus großen Orchestern oder aus der Rock- und Jazz-Szene. Locker im T-Shirt auftretend, gingen sie mit einer ansteckenden Lust zur Sache. Das Ohr entdeckte Klänge, die betörten und verblüfften, während das Auge von Videosequenzen herausgefordert wurde.
Und dann gab es natürlich wieder die Auftritte des Schleswig-Holstein-Musik-Festival-Orchesters. Die Weltelite maximal 25-jähriger Orchestermusiker hatte intensiv geprobt und stellte unter Christoph Eschenbach ein Programm mit Werken von Janacek, Dvorák und Mahler vor. Eschenbachs Ausstrahlung mag mit der seiner Vorgänger Leonard Bernstein oder Sergiu Celibidache nicht vergleichbar sein, doch die Konzentration, Dichte und Musizierfreude der Aufführungen war atemberaubend.
Reinald Hanke