fern vom zeus : Große eselartige Störrischkeit
Olympias Zukunft: Postmoderner Zwölfkampf mit Reiters Eskimorolle im Wassergraben und dem doppelten Giengersalto im Radball
Einzelzeitfahren, Doppel-Zweier, Dreifacher Auerbach, Vierer ohne Steuermann, Moderner Fünfkampf, erste Sechs, Siebenmeter, Achter mit, Neunter Dan, ein Zehntel Punkt. So geht zählen auf facholympisch. Weitere wichtige Begriffe der ersten Tage im Olympia-Esperanto: Eskimorolle, Planche, Gienger- und Schraubensalto, Penholdergrip und Kempa-Trick, Ippon und Uschimata, Hoffnungsläufe, Bücksprung, Hocksprung, Strecksprung. Olympia bedeutet alle vier Jahre die Wiederentdeckung kurioser, bisweilen neckischer Sportarten, die wir zwischendurch glatt vergessen hatten.
Olympia als leibesüblerisches Großereignis der Randsportarten: Fußball findet, jedenfalls bei den Männern, unter ferner liefen statt. Golf ist nicht dabei, Tennis erst seit 1992. Und auf Leichtathletik, die royalistische Königsdisziplin, muss man immer eine Woche warten. Bis dahin triumphieren Disziplinen, von denen schon die Großeltern der heutigen Rentnergeneration geschwärmt haben: Fechten, Bogenschießen, Bahnradfahren, Gewichtheben. Auch Segeln, Trampolinspringen und Synchronschwimmen sind sonst nicht gerade Publikumsrenner – plötzlich tauchen sie prominent in der Tagesschau auf.
Warum sind ausgerechnet Taekwondo und Judo olympisch? Für den asiatischen Markt? Vielleicht. Aber bitte erinnern wir uns: Ausgerechnet im Judo gewann Deutschland vor vier Jahren die allererste Medaille, eine bronzene; und jetzt wiederholte sich die Geschichte. Schön.
Andererseits gibt es Sportarten, die jenseits unseres Landes kaum jemand wahrnimmt und bei denen deutsche Sportler das Metall wie selbstverständlich abgreifen: Dressurreiten etwa, dieses geschöpfekombinierte Synchronlaufen und Synchronschreiten mit Passgang und Piaffe. Dazu Schießen. Mit allerlei Gewehr und Pistole waren wir Deutschen schon immer gut. Auch olympisch.
Obwohl: Es gibt Veränderungen. Beachvolleyball und Mountainbike sind zuletzt dazugekommen. Und das darf erst der Anfang sein: Weil der sportive Erfindungsreichtum der Menschen, zumal aus verschiedenen Kulturen, immens ist, kann man sich die folgenden Disziplinen gut im Schoß der olympischen Familie vorstellen: Schach oder Bumerangwerfen, Kutschenfahren, Kamelrennen und Wellenreiten, Boßeln, Billard, Tauchen, Tanzen und das völkerverbindende Völkerball. Für uns Deutsche wären Kegeln und Skat Goldgarantiedisziplinen, vielleicht auch Sitzfußball, wenn es schon mit normalem Fußball nicht mehr klappt. Minigolf und Schlagballweitwurf wären auch Alternativen – warum nicht, wenn Synchronschwimmen und Tontaubenmeucheln mit eselartiger Störrischkeit olympisch bleiben.
Die fernere Zukunft bietet erst recht alle Möglichkeiten. Aus dem Modernen Fünfkampf, jenem seltsamen Potpourri aus Reiten, Fechten, Schießen, Laufen, Schwimmen, machen wir den Postmodernen Zwölfkampf etwa mit Unterwasserfrisbee, Medizinball-Squash, Speed-Cricket und Synchron-Bergsteigen, damit Olympia noch olympischer wird. Und bald gibt es den Giengersalto tief gebückt beim Radball, auf dem Schießstand den Achter mit Steuermann und bei den Reitern im Wassergraben auch mal eine wagemutige Eskimorolle. The games must go on and onner. BERND MÜLLENDER