piwik no script img

Archiv-Artikel

fassbinder, streit etc. Ehe, wem Ehe gebührt

Um den Nachlass Rainer Werner Fassbinders ist eine heftige Auseinandersetzung entbrannt. Verwaltet wird das Erbe des Regisseurs, dessen Todestag sich am Sonntag zum 25. Mal jährt, von der Rainer Werner Fassbinder Foundation. Sie wurde von Fassbinders Mutter Liselotte Eder ins Leben gerufen; seit 1992 steht sie unter Leitung von Juliane Lorenz. Lorenz kümmert sich um die Instandhaltung des Filmwerks, sie organisiert DVD-Editionen und Retrospektiven. Angegriffen wird sie unter anderem, weil sie versuche, Weggefährten, Freunde und Partner Fassbinders aus dem Oeuvre und dem Leben zu verbannen. Außerdem lasse sie es an restauratorischer Akkuratesse mangeln. Zugunsten besserer Verkäuflichkeit etwa hat sie die zur diesjährigen Berlinale lancierte DVD-Edition von „Berlin Alexanderplatz“ aufhellen lassen, obwohl Fassbinder selbst die Dunkelheit als ästhetische Setzung begriff und verteidigte.

Am 30. Mai veröffentlichten deshalb 25 Mitarbeiter Fassbinders – unter ihnen Ingrid Caven, die zuvor schon im Interview mit der Zeit gegen Juliane Lorenz’ Arbeit Position bezogen hatte, Werner Schröter, Günther Kaufmann und Udo Kier – eine Erklärung, die in die Forderung mündete, Juliane Lorenz möge zurücktreten; der Nachlass möge einer öffentlichen Institution wie der Stiftung Deutsche Kinemathek überantwortet werden. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus: Mal wird die Kontroverse als „Witwenstreit“ abgetan – die Gültigkeit von Lorenz’ und Fassbinders Eheschließung in Florida steht zur Debatte; Ingrid Caven, die die Kontroverse in dem Interview mit der Zeit anstieß, war mit Fassbinder von 1970 bis 1972 verheiratet. Mal wird Juliane Lorenz’ Verdienst um das Werk betont, zuletzt etwa von Fritz Göttler, dem Filmredakteur der Süddeutschen Zeitung. Was Göttler nicht schreibt: Die restaurierte Fassung von „Berlin Alexanderplatz“ wird als ein Höhepunkt der DVD-Edition der SZ angepriesen. Schon vor einem Jahr warnte Enno Patalas, langjähriger Leiter des Münchner Filmmuseums, in der Zeitschrift Revolver davor, in welch heikle Position Filmkritiker geraten, wenn sie im Auftrag ihres Verlags Öffentlichkeitsarbeit für dessen DVD-Editionen betreiben.

Zuletzt scheint im Streit um die Legitimität des Erbes eine spezifische Tragik auf. Denn was Fassbinder auszeichnete – seine Selbstverausgabung, seine Polysexualität, seine äußerst produktiven Wahlverwandtschaften –, hat im deutschen Erbschaftsrecht keine Entsprechung. Wo bürgerliches Recht ein unbürgerliches Leben postum regelt, ist notwendigerweise Gewalt im Spiel – Gewalt im Sinne eines Verdrängungs- und Verbannungsprozesses. Im Falle Fassbinders ist das umso schmerzhafter, als er sich Zeit seines Lebens gegen solche Zähmung zu wehren wusste. CRISTINA NORD