europaplatz: Ana Brnardić in Zagreb
In ganz Europa gibt es Europaplätze, von Lissabon bis Vilnius. Aber ist an diesen Orten auch Europa? Und wenn ja, wie viel? Lyriker*innen und Autor*innen haben sich für uns auf die Suche begeben. (taz)
Moram napisati nekoliko riječi o tom
mladom trgu – znači li išta njegovo ime?
Ispod novih bisernih zuba još se runi
smeđa ulica koja ljeti miriše na tople
automobilske gume, a pod finom
caklinom toliko je mekih tragova bosih, tamnih
stopala koja se slijevaju od katedrale, da mislim
na blato i ptice i na to da je ovo dojučer
bio sajam, žamor cvijeća, lipova lišća,
kreketavih zvijezda.
Mladi trgovi nespretno brišu povijest.
Zgrada na porušenim potleušicama
meškolji se u svom lateksu, dok ju prekoputa
ispod oka mjerka osamnaesto stoljeće, u vlazi i cinoberu.
Ovo nije trg moje mame ni mog djeda ni djeteta,
nego prazna širina lista koji pluta
i još se vježba u nazivanju, još isprobava cipele,
datume rođenja.
U zoru, navlačim njegovu prazninu
kao nevjesta, uz druge, krajičkom oka uhvaćene
Ana Brnardić (Jahrgang 1980) lebt und arbeitet als Dichterin und Übersetzerin in Zagreb. Sie hat Literatur und Musik studiert. Vier Gedichtbände sind bisher von ihr erschienen, die teils auch ins Schwedische und Rumänische übersetzt wurden
nevjeste – taksista, trafikanticu, čistača ulica,
i tad ga malo zavolim, malo otarem lice o tu bjelinu,
načas mu oprostim što se šepuri a ni sam ne zna
koje bi ime sebi i meni nadjenuo.
Pritom šušte gledičije i ispričaju se katedrali,
a ptice prhnu.
Ich muss einige Worte über diesen
jungen Platz schreiben – was soll sein Name eigentlich bedeuten?Unter den neuen perlweißen Zähnen zerbröselt noch immer
die braune Straße, die im Sommer nach warmen
Autoreifen duftet, unter der feinen
Glasur viele weiche Spuren nackter, dunkler
Füße, die von der Kathedrale kommend zusammenfließen, so dass ich
an Schlamm denke und an Vögel und daran, dass hier bis gestern
ein Jahrmarkt war, ein Stimmengewirr der Blumen, der Lindenblätter,
der quakenden Sterne.
Junge Plätze radieren unablässig die Geschichte aus.
Das Gebäude, errichtet auf abgerissenen Hütten, windet sich
in seinem Latex, beobachtet vom achtzehnten Jahrhundert,
das von der anderen Straßenseite
verstohlene Blicke herüberwirft, feucht und zinnoberrot.
Das ist weder der Platz meiner Mutter noch der meines Großvaters noch der meines Kindes,
sondern die leere Fläche eines schwimmenden Blattes,
die sich noch immer im Benennen übt, immer noch Schuhe anprobiert,
Geburtsdaten prüft.
In der Morgendämmerung streife ich seine Leere über
wie eine Braut, so wie es andere Bräute tun, die ich aus dem Augenwinkel
erhasche – den Taxifahrer, die Kioskverkäuferin, den Straßenfeger,
und dann empfinde ich ein wenig Liebe für ihn, wische mit seinem Weiß über mein Gesicht,
verzeihe ihm für einen Augenblick, dass er prahlt, ohne zu wissen,
wie er sich und mich nennen soll.
Dabei hört man Lederhülsenbäume rauschen und sich bei der Kathedrale entschuldigen,
und die Vögel flattern auf.
Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
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