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es bleibt ja kompliziert #2Ein universelles Problem

Endlich wieder in Berlin. Ich sitze euphorisch nach einem Abend in Neukölln in der U-Bahn. Neben mir sitzt ein Mann, Mitte 30, sichtbar betrunken. Ich stehe auf, um mich wegzusetzen. Auch er erhebt sich und torkelt mir durch die U6 hinterher.

Ein halbes Jahr lang habe ich mir in meinem Auslandssemester in Südafrika jeden Alleingang genauestens überlegt nur, um wieder zurück in Berlin, zu bemerken, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein universelles Problem ist. Der Mann wird zum Glück von anderen Mitfahrenden gebeten, auszusteigen. Aber plötzlich sind Gedanken über die Konsequenzen eines zufälligen Augenkontakts in der U-Bahn und das Aussuchen potenzieller Ansprechpersonen wieder präsent in meinem Leben. Und der Austausch unter Freun­d*in­nen über laute Taschenalarme und Pfefferspray gehören wieder zur Normalität. Ein Grund dafür: In der Bundesrepublik findet fast jeden Tag ein Femizid statt. 2023 waren es laut UN Women insgesamt 360 getötete Frauen. Auch die Daten der steigenden digitalen, häuslichen und se­xuel­len Gewalt machen mich sprachlos. Immer wieder stutze ich, wenn ich auf dem Instagram-Kanal femizide_stoppen einen neuen Beitrag sehe, der einen weiteren Femizid erfasst.

Das Gewalthilfegesetz soll eine Verbesserung im Umgang geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen ermöglichen. Es bezieht sich auf den leichteren Zugang von Rechtsanspruch und Beratung für Betroffene. Im November 2024 wurde der Entwurf im Kabinett beschlossen. NGOs, Vereine und Gruppen setzen sich für ein schnellstmögliches Inkrafttreten ein. Obwohl es einen gesellschaftlichen Wandel braucht, könnte dieses Gesetz doch schon ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont sein.

Foto: Anke Phoebe Peters

Kim Tadday, Jahrgang 2003, studiert Politikwissenschaften und Kultur­anthropologie in Mainz und ist taz lab Redakteurin.

Kim Tadday

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