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empfehlungenAfrika-Bücher

Scholl-Latours „Totenklage“ ist typisch für die Literatur über Afrika, denn wie die meisten Autoren nähert er sich subjektiv. Das eigene Erleben wird einfach verallgemeinert. So entdeckt Scholl-Latour auf seinen Reisen nur ein einziges Internetcafé. Ein Irrtum: Schon allein die kongolesische Hafenstadt Matadi mit ihren 250.000 Einwohnern besitzt vier solcher Cafés – obwohl nur 150 Telefonanschlüsse existieren. Der afrikanische Alltag wurde bisher nur selten systematisch abgehandelt, es dominierten Reise- und Lebensberichte. Dies will der Sammelband Der bunte Kontinent ändern. Zwar schwankt die Qualität der Texte – aber das Versprechen des Titels wird eingelöst, es ist ein neuer Blick auf Afrika.

Zwölf Länder hat Scholl-Latour für seine „Totenklage“ bereist, darunter auch Kenia. Doch konnte der Kriegsreporter dem friedlichen Land wenig abgewinnen. Also wird es weitgehend ignoriert, mokiert sich Scholl-Latour lieber über die jüngeren Auslandskorrespondenten, die es sich in der „Komfort-Oase“ Nairobi zu gemütlich eingericht hätten. Wer diesen „Generationskonflikt“ nicht zu seinem eigenen machen will, sollte den Band der Beck’schen Reihe Länder wählen, der Kenia knapp und kompetent vorstellt.

„Sachliche Informationen“ möchte auch das erste Afrika-Lexikon bieten, das in deutscher Sprache erschienen ist und an dem etwa 200 Wissenschaftler mitgewirkt haben. Die Auswahl der 1.000 Stichwörter wurde zu Recht als strategische Entscheidung begriffen: Sie sollten nicht das Klischee widerspiegeln, das Scholl-Latour so favorisiert, dass Afrika ein „Relikt der Steinzeit“ sei. So findet sich vor dem Stichwort „Stamm“ die „Stadtentwicklung“ – zufällig durch das Alphabet zusammengezwungen, sagt dies doch viel über das reale Nebeneinander von Tradition und Moderne in Afrika.

Wer über die Konflikte im Afrika der Großen Seen mehr erfahren will, muss auf französische und englische Standardwerke von Jean-Pierre Chrétien, Gérard Prunier oder Colette Braeckman ausweichen. Aktuelle Analysen bietet zudem seit Jahren das in Frankreich publizierte Jahrbuch zum Afrika der Großen Seen. Die soeben erschienene Ausgabe enthält neben Chroniken und Statistiken Hintergründe zu Themen wie der Auslandshilfe in Burundi, dem Coltanhandel im Kongo oder der Ernährungssituation in Kinshasa.

Christoph Plate/Theo Sommer (Hg.): „Der bunte Kontinent, Ein neuer Blick auf Afrika“, 368 S., DVA 2001, 14,90 €ĽMartin Papst: „Kenia“, 200 S., Beck’sche Reihe 2001, 12,50 €ĽJacob E. Mabe (Hg.): „Das Afrika Lexikon, Ein Kontinent in 1000 Stichwörtern“, 720 S., J. B. Metzler und Peter Hammer Verlag 2001, 64,90 €ĽS. Marysse/F. Reyntjens (Hg.): „L’Afrique des Grands Lacs – Annuaire 1000–2001“, 438 S., Harmattan Paris 2001, 36,60 €

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