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Archiv-Artikel

eject CLEMENS NIEDENTHAL über einen Kartoffelacker mit Hollywoodschaukel

Nur die Harten kommen in den Fernsehgarten

Michel Foucault hat sich kaum Gedanken über das Fernsehen gemacht. Wohl aber über den Raum. Und dabei etwa festgestellt, dass Gesellschaften auf ihre inneren Krisen mit der Schaffung spezifischer Räume reagieren. Das Gefängnis sei ein solcher Raum. Oder die Psychiatrie. Dass der Philosoph auch den Garten als einen solchen Ort der Krise benennt, mag verwundern. Nur so lange allerdings, bis man sich eines Sonntagvormittags in den ZDF-Fernsehgarten verirrt. In einen, den man mit der Fernbedienung oder mit dem Reisebus betreten kann.

Den Reisebus nehmen gewöhnlich Männer in beigen Sommerjacken und Frauen mit einem zarten, violetten Schimmer in ihren Dauerwellen. Menschen also, für die das ZDF Programm macht. Menschen also, die noch gelernt haben, dass ein Garten vor allem ein Nutzgarten sei. Kein englischer Rasen und kein französischer Park – sondern das kleine Kartoffeläckerchen in der Laubenkolonie. Ein Anspruch, den das ZDF metaphorisch einzulösen verspricht: „Neben Tipps rund um die Themen Cocktail, Kochen, Gesundheit und Mode sowie spektakulären Attraktionen und atemberaubender Artistik, sind auch immer jede Menge Stars zu Gast.“ Der TV-Garten ist also so etwas wie ein Kartoffelacker mit Hollywoodschaukel und duften Erlebnisangeboten. Wie etwa Andrea Kiewel, die Moderatorin mit dem Hang zu Mutterwitz und Mütterlichkeit. Was darauf verweist, dass es sich beim Fernsehgarten um ein Retro-Phänomen aus den untoten Achtzigern handelt. Womit wir wieder bei der Krise wären.

Denn eigentlich wäre die zweistündige Unterhaltungssendung gerne ein medialer Platz der Republik, ein Gartenfest der Mediendemokratie. Fernsehen für alle eben. Weil sich aber nicht alle für marinierte Putenbrüste und Gesundheitstipps von der Barmer Ersatzkasse interessieren, wird der gesellschaftliche Querschnitt vom ZDF bei einer Agentur gemietet: Junge Mädels mit Hüftschwung und Hüfthosen bejubelpersern dann wahlweise Lou, Alexander oder André Rieu. Und amüsieren sich so vorbildlich in die Kamera, als wären sie genau dafür engagiert worden.

Weil dem genauso ist, freut man sich letztlich auch so sehr über die gelangweilten Männer in den beigen Sommerjacken. Steht deren ehrliches Desinteresse doch für eine Krise der medialen Öffentlichkeit, die auch 22-jährige in Hüfthosen nicht wegtanzen können. Und auch nicht Daniel Küblböck.