einen biffo erkennt man am oy von RALF SOTSCHECK:
Niemanden fürchten Dublins Autofahrer mehr als einen Biffo. Man erkennt ihn am OY. Das ist das Autokennzeichen von Offaly, einer Grafschaft südwestlich der irischen Hauptstadt. Sobald die Hauptstädter die gefürchteten beiden Buchstaben entdecken, fahren sie an den Straßenrand.
Ein Bekannter von mir hatte nicht mit der Gefahr von hinterrücks gerechnet: Er befand sich am hellichten Tag bei glasklarer Sicht auf einer breiten Dubliner Straße, als ihm ein Biffo hinten hineinfuhr. Der Täter verteidigte sich vor Gericht mit dem Argument, er habe fünf Kinder, und alle saßen auf dem Rücksitz. Weil sie stritten, musste er sich umdrehen, um ein paar Ohrfeigen zu verteilen. Nachdem die Kinder ruhig gestellt waren und er wieder nach vorne schaute, konnte er nicht mehr rechtzeitig bremsen. Der Richter, der ebenfalls aus Offaly stammte und Vater von vier Kindern war, hatte vollstes Verständnis und sprach seinen Landsmann frei. Ein Biffo hackt dem anderen kein Auge aus, und in der Großstadt müssen sie erst recht zusammenhalten.
Auch auf freier Wildbahn ist der Biffo nicht ungefährlich. In Doolin, einem kleinen Ort an der Westküste, gibt es einen riesigen Parkplatz am Strand, denn im Sommer wimmelt es dort nur so von Touristen. Im Winter ist dagegen nicht viel los. Mein Freund Gerry wollte vorigen Monat einen Strandspaziergang machen und stellte sein Auto vorschriftsmäßig ab. Ein weiterer Wagen stand, 150 Meter entfernt, am anderen Ende des Parkplatzes. Mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen beobachtete Gerry von der Düne aus, wie der andere Wagen rückwärts über den gesamten Parkplatz raste und sein Auto rammte. Aus der Entfernung konnte Gerry das Nummernschild zwar nicht erkennen, aber er ahnte, dass „OY“ darauf stand.
Manche Touristen wissen nicht, dass es ratsam ist, Offaly weiträumig zu umfahren. Ein Holländer wollte gerade einen Traktor überholen, als der Bauer aus heiterem Himmel rechts in seinen Hof einbog. Der Tourist rammte ihn seitwärts, der Sachschaden war erheblich. Der Bauer erklärte vor Gericht, dass der Autofahrer selbst schuld war: „Jedes Kind weiß, dass ich dort wohne.“
Am schlimmsten sind die Lastwagenfahrer aus Offaly. Ich war neulich nach Newgrange unterwegs, jenem 5.000 Jahre alten Megalithgrab, als ich einem Biffo begegnete, der sich offenbar vorgenommen hatte, mich schnurstracks ins Grab, allerdings nicht in ein megalithisches, zu bringen. Er kannte Steven Spielbergs Film „Das Duell“, das wurde mir schnell klar. Auf einem unübersichtlichen Abschnitt der Landstraße winkte er mich vorbei. Kaum hatte ich zum Überholen angesetzt, kam mir ein Lieferwagen entgegen, dem ich nur knapp ausweichen konnte. Beim meinem nächsten Überholmanöver zog der Biffo-Laster einfach nach rechts, so dass ich fast im Graben gelandet wäre. Ich beschloss, im nächsten Pub eine Pause einzulegen, denn anders als bei Spielbergs Film, wo der Autofahrer gewann, hatte ich es mit einem Biffo zu tun.
Biffo ist übrigens die amtliche Abkürzung für „Big Ingnorant Fucker From Offaly“.
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